Galilei

Höre nun schon seit einigen Wochen Lautenmusik von Michelangelo Galilei, gespielt von Axel Wolf. Am frühen Morgen ist sie im Arbeitszimmer eine ideale Empfangsmusik: neutral, trocken, stabilisierend, ein Halt im Hintergrund. Natürlich hat mich der Name „Galilei“ irritiert, ich schaute aber lange nicht nach, ob es etwa eine Verwandtschaft mit dem großen Physiker gebe.

Gestern tat ich es dann aber doch. Also: Michelangelo Galilei (1575-1631) war ein jüngerer Bruder von Galileo Galilei (1564-1641/42). Beide waren Söhne des großen Lautenisten Vincenzo Galilei (1520-1591), von dem es heißt, dass er geradezu besessen von der Laute gewesen sei. So habe er sie bei jeder Gelegenheit gespielt, durch die Stadt wandernd, zu Pferd, am Fenster oder zu Bett.

Vincenzo war aber nicht nur ein begeisterter Lautenspieler, sondern auch Komponist und – vor allem Theoretiker. Er verfasste Texte, in denen es um die Stimmung und die Saitenspannung der Laute ging, die er experimentell untersuchte. Inzwischen sind Forscher der Meinung, Galileo Galilei habe in der Schule seines Vaters das Experimentieren gelernt. So dass man behaupten könnte: Die Theorien der neuzeitlichen Physik sind aus den Theorien der neuzeitlichen Musik hervorgegangen.

Seit ich so denke, höre ich Michelangelos Il primo libro d’intavolatura di liuto (1620) noch wacher: als säße ich in einem Studio, in dem die Saite den Takt des Denkens angibt.