Nähere Betrachtung eines Pfauengemäldes

Manchmal schließt sich ein Kreis. Am vergangenen Freitag (09.5.2025) habe ich im Düsseldorfer Goethe-Museum zum vorerst letzten Mal das Buch über die Summa creativa meiner Hildesheimer Lehre des Literarischen Schreibens vorgestellt (Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und lehren).

Am Tag darauf (09.05.2025) war die junge Schriftstellerin Maria Bidian in der ausverkauften und bis auf den letzten Platz besetzten Sala Ortheil in meinem westerwäldischen Heimatort Wissen/Sieg zu Gast – und wir erkundeten gemeinsam die Entstehung ihres ersten Romans: Das Pfauengemälde, dessen Anfänge ich während eines Textmentorats in Hildesheim noch begleitet hatte.

Wie verlaufen solche Erkundungen? Sie beginnen mit Fragen nach der Herkunft, dem Aufwachsen und Lernen, Fragen also nach dem elterlichen Raum und den ersten Einflüssen von außen.

In Maria Bidias Fall waren diese Einflüsse durch die rumänische Herkunft ihres philosophierenden und Yoga lehrenden Vaters und ihrer deutschen Mutter geprägt. In Mainz war sie 1988 zur Welt gekommen, in Wiesbaden wuchs sie bei den Eltern auf und besuchte Schulen, die starke Akzente auf die Ausbildung in Fremdsprachen setzten. Ein Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Germanistik und Philosophie schloss sich an, und es entstanden Tagebuch- und Weltnotate, die sich in einem freien Schreibprozess nach den Themen ihres Lebens umschauten.

Als das Schreiben packender und zielstrebiger wurde, wechselte sie an die Universität Hildesheim, um dort den Master in Literarischem Schreiben und Lektorieren zu machen. Sie legte ein Exposé für einen historischen Roman vor, in dem es um Figuren der rumänischen Geschichte in Bukarest gehen sollte.

Während des Studiums und der Mentorate, in deren Verlauf sie Exposé und erste Textproben vorstellte, zerfiel dieses Projekt. Vorgeschlagen wurde ihr, den Roman mit rumänischem Stoff in die Gegenwart zu verlegen und aus einer Ich-Perspektive zu erzählen. Das versuchte sie und begann, den Stoff und das Romanmaterial noch einmal zu sichten und zu durchdenken.

Schließlich begann sie den Roman mit der Ich-Erzählerin Ana, die in Deutschland lebt, aber große Zeiten der Kindheit in Rumänien verbracht hat. Sie erhält zwei Jahre nach dem Tod ihres Vaters ein Schreiben ihrer rumänischen Familie, in der vom Gewinn eines Prozesses berichtet wird. Dieser Prozessausgang ermöglicht es der Familie, das in den Zeiten der Diktatur enteignete Familienhaus zurück zu erhalten und neu zu nutzen.

So sind mehrere Erzählstränge gelegt: Die Erzählerin erhält ein Signal, einen Anstoß, der in die eigene Vergangenheit führt. Folgerichtig macht sie sich im zweiten Kapitel des Romans mit dem Zug auf den Weg nach Rumänien (Erste Lesung). Die Zugfahrt zeigt die Inszenierung einer langsamen Durchdringung zweier Räume. Die rumänischen Landschaften schieben sich vor die deutschen Bilder, die Figuren bewegen sich und sprechen allmählich anders, die Gestalt des toten Vaters ist noch immer allgegenwärtig.

Die ersten beiden Kapitel (Signal und Zugreise) sind wie zwei geschlossene Erzähleinheiten komponiert und haben daher auch Überschriften. Auf diesem Weg ließ sich nun weitermachen: Kurze Erzählungen mit jeweils eigenen Motiven waren zu schreiben, wobei ein großer Bogen (der für Zusammenhalt und Spannung sorgte) nicht verloren gehen durfte.

Dieser Spannungsbogen entstand durch das Motiv des Pfauengemäldes. Von ihm hatte der rumänische Vater ein Leben lang erzählt. Wo befindet es sich? Wie sieht es aus? Die Suche der Erzählerin richtet sich also nicht nur auf das alte rumänische Haus der Familie, das sie betritt und neu entdeckt (Zweite Lesung), sondern auch auf dieses Gemälde, das alle Mysterien des Vaters und damit auch ihrer Herkunft in sich zu vereinigen scheint. Was ist darüber zu erfahren? Welche Personen helfen, es zu finden?

Maria Bidians Lesung aus ihrem Debütroman war packend, berührend und ein starkes Beispiel dafür, wie Schreiben gelernt und gelehrt wird. Langer Applaus am Ende, viele Bücher wurden signiert. Und hier und da hörte man die Stimmen der Zuhörerinnen: Auf nach Rumänien! Wohin sollen wir zuerst fahren?!

Eine große Freude – der neue Papst

Gestern drang um 18.08 Uhr weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle in Rom, wo auch die Möven lange auf das Zeichen gewartet hatten.

Wer die Biografie des neuen Papstes zum Beispiel auf Vatican News liest, kann nur staunen. Er hat Mathematik und Philosophie studiert, ist dem Augustinerorden beigetraten und hat später in Theologie promoviert.

Unübersehbar ist ferner seine starke Passion für die sozialen Themen, die ihn für Jahrzehnte nach Peru geführt hat.

In letzter Zeit kümmerte er sich wieder verstärkt um die Belange der römischen Kurie, so dass man den Eindruck erhält, er sei von seinem Vorgänger, Papst Franziskus, auf geheime und versteckte Weise als der Nachfolger im Papstamt aufgebaut worden. (Seltsam, dass bisher kein „Berichterstatter“ das bemerkt hat. Liest man die Biografie, ist es offenkundig …)

Hier eine Version der Vatican News in allen Details:

https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-05/papst-leo-xiv-robert-francis-prevost-biographie-konklave.html

Ich freue mich sehr über diese Wahl und wünsche allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs ein schönes Wochenende!

Das Konklave beginnt

Heute beginnt in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans das Konklave, die Wahl des neuen Papstes durch die Kardinäle.

In einer Doku wird interessanten Fragen nachgegangen: Seit wann gibt es überhaupt ein Konklave? Was waren die historischen Hintergründe für diese sehr besondere, einzigartige Form einer Wahl-Inszenierung? Und wie genau verläuft sie?

https://www.3sat.de/gesellschaft/politik-und-gesellschaft/blackbox-konklave-100.html

Am Nachmittag ziehen die 133 Kardinäle in die Sistina ein. Was ist zu hören, was zu sehen?

Wie die Welt weiterging

Ich lese gerade das ungewöhnliche Buch der österreichischen Schriftstellerin Monika Helfer, in dem sie 365 Geschichten für jeden Tag gesammelt hat: Wie die Welt weiterging (Hanser Verlag).

„Du magst doch kalendarische Bücher“, sagte ein Freund zu mir und schenkte mir diese über 750 Seiten, die aber nicht schwergewichtig und abschreckend wirken, sondern eher leicht und locker wie eine Sammlung vieler kleiner Dunkelpralinen.

Jede dieser literarischen Kostbarkeiten ist nicht länger als zwei Seiten, und jede erzählt eine Geschichte, von denen viele (ich wette) Monika Helfer nachts begegnet sind. Einige Konstellationen ihres Lebens bleiben erahnbar oder sind zu erkennen. Es gibt einen Mann, es gibt Kinder, einen Garten und Menschen, die ins Haus schneien und ein Sammelsurium von Erlebtem abladen.

Das versucht eine gute Zuhörerin in Bahnen zu lenken, macht das aber nicht mit dreister Genregewalt, sondern mit Beschwören, Murmeln und Mitträumen. So bleiben die kurzen Erzählungen in schöner Schwebe, wollen nirgendwohin, sondern setzen sich in unseren Leser-Träumen fest.

Wie liest man ein solches Buch? Natürlich nicht Seite für Seite, sondern sprunghaft, manchmal mit starkem Geschichtenappetit oder auch mit diätetischer Spannung. Frei gestellt fühlen wir uns, können uns Zeit lassen, aber auch wild beschleunigen.

Die Schreibwilligen wiederum werden erkennen, wie man ein Buch macht, indem man jeden Tag eine Geschichte schreibt. Nachschreiben! – heißt die Verlockung!

Spargel Weekend

Einige Leserinnen und Leser dieses Blogs werden sich morgen, Samstag (3.5.2025), auf den Weg nach Schwetzingen machen. Nicht nur, um meine Lesung im Kammermusiksaal des Schlosses (12 Uhr) zu hören, sondern auch, um frischen Spargel zu genießen.

https://www.visit-schwetzingen.de/genuss-tradition/spargel/historie

Spargel, grüne Sauce und junge Kartoffeln sind ein ideales Mai-Gericht.

Als Dessert empfehle ich Rharbarber und schicke einige Zubereitungsideen aus einer TV-Sendung –

https://www1.wdr.de/fernsehen/kochen-mit-martina-und-moritz/sendungen/erfrischender-rhabarber-100.html

Verbunden mit all diesen Hinweisen und Don Giovannis Arie der Verführung wünsche ich den Leserinnen und Lesern dieses Blogs ein schönes Wochenende! 

Lesung in Schloss Schwetzingen am Samstag

Am kommenden Samstag, 3. Mai 2025, 12 Uhr, lese ich im schönen Kammermusiksaal von Schloss Schwetzingen aus meinem Roman Die Nacht des Juan und spreche mit Alexander Wasner, Redakteur des SWR, über den „Reiz der Verführung“. (Der Eintritt ist frei.)

https://www.swr.de/swrkultur/musik-klassik/schwetzinger-festspiele/casanova-und-der-reiz-der-verfuehrung-100.html

1787 in Prag. Dort treffen sich drei Personen, die den Don Juan-Stoff  auf ihre jeweils eigene Weise gelebt haben: Wolfgang Amadeus Mozart, Lorenzo da Ponte und Giacomo Casanova. Alle drei arbeiten an der Oper „Don Giovanni“ mit und haben eine besondere Version dieses Stoffes im Kopf. Fiktion? Keineswegs! Ich habe die Entstehung von Mozarts Oper in Prag vor Ort recherchiert und werde davon erzählen.

Vorkonklave

Seit dem Requiem für den gestorbenen Papst Franziskus halten sich viele Kardinäle in Rom auf und treffen sich heute zum Vorkonklave. In seinem Verlauf werden Meinungen über mögliche Papst-Kandidaten und Ideen zu den Aufgaben der Kirche in den nächsten Jahren ausgetauscht.

Für einen idealen Einfall hielt ich das Vorhaben, den Leichnam im geschlossenen (!) Sarg auf dem Papamobil durch das Zentrum von Rom zu fahren. Vorbei an der Piazza Venezia, dem Forum, dem Colosseum und zum Schluss über die Via Merulana hinauf zur Basilika Santa Maria Maggiore.

Noch genialer war die TV-Übertragung der Einfahrt in die leere Kirche! Keine Gläubigen, Trauernden, Fotografierenden mehr, nur noch das schöne Langhaus und seine Stille.

Und danach? Keine Kommentare der hörbar überforderten „Experten“, Ruhe, die Bilder der Leere und Stille! Die Beisetzung wurde nicht mehr übertragen, die Trauerfeierlichkeiten erlebten ein würdiges Ende.

Zum Weiterleben empfehle ich die Lektüre eines Romans, der die Menschen, Gespräche und Geschichten von Rom wie kaum ein anderer in ungeheurer Lebendigkeit inszeniert. Carlo Emilio Gadda hat ihn geschrieben, der Titel ist: „Die grässliche Bescherung in der Via Merulana“.

Papst Franziskus ist gestorben

Gestern ist Papst Franziskus um 7.35 Uhr gestorben. Er hat das schwierige Amt in äußerster direkter Zuwendung zu den Menschen ausgeübt und dadurch starke neue Akzente gesetzt.

Ich vertiefe mich an den folgenden Tagen in seine Autobiografie und halte Kontakt mit meinen römischen Freundinnen und Freunden, die mir aus der Ewigen Stadt berichten werden.

Der nächste Blogeintrag wird nach den Trauerfeierlichkeiten und der Beerdigung erscheinen.