Yuja Wang und David Hockney im Londoner Lightroom

Im Londoner Lightroom werden sehr besondere, multimediale Shows gezeigt: 360 Grad-Bilder kombiniert mit einem speziellen Sound! Bewegte Bilder und Musik eng aufeinander abgestimmt und bezogen.

Ein Höhepunkt war neulich ein Konzert der Pianistin Yuja Wang, die mit ihrem Programm auf die Kunst von David Hockney reagierte.

Hier ist der Zugang zu dieser fantastischen neuen Form des Dialogs der Künste: 

https://www.arte.tv/de/videos/124390-000-A/yuja-wang-x-david-hockney/

The Great Gatsby nach 100 Jahren

Der große Gatsby („The Great Gatsby“), das Meisterwerk des amerikanischen Schriftstellers Francis Scott Fitzgerald (1896-1940), ist vor hundert Jahren erschienen. Nun liegt es in einer Neuübersetzung durch Bernhard Robben vor. Die Kritik ist begeistert. Hier ein Überblick der Rezensionen, auf „Perlentaucher“:

https://www.perlentaucher.de/buch/f-scott-fitzgerald/der-grosse-gatsby-roman-2025.html

Will man verstehen, wie Fitzgerald arbeitete und welche inspirienden Techniken des Schreibens er in seiner Werkstatt erprobte, sollte man noch auf ein anderes Buch (Der Moment der Schönheit, übersetzt von Helmut Moysich) zurückgreifen. In seinem Nachwort habe ich die wegweisenden Schreibmethoden von Fitzgeralds Notizbüchern erläutert:

Friedl Benedikt und Elias Canetti

Ich lese gerade Warte im Schnee vor deiner Tür, Tagebücher und Notizen der Schriftstellerin Friedl Benedikt (1916-1953), herausgegeben von Fanny Esterházy und Ernst Strouhal im Paul Zsolnay Verlag.

Die Texte befanden sich im Nachlass von Elias Canetti (1905-1994), der an Friedl Benedikt geschrieben hatte: „Du bist ein geborener Erzähler, und eigentlich solltest Du täglich etwas für Dich erzählen.“

Die Aufforderung war mehr als eine Empfehlung, sie war eine dringende Bitte, die von der Schriftstellerin ernst genommen wurde. Sie verstand Canetti als einen Lehrer, und damit entstand eine besondere Konstellation des literarischen Schreibens: Ein älterer, bekannter Schriftsteller betreute eine jüngere Autorin beim Schreiben, las ihre Texte und redigierte sie.

Das historische Bedeutsame dieser Konstellation liegt in Raum und Zeit, denn Friedl Benedikt war eine österreichische Schriftstellerin, die in Wien aufwuchs. 1938 emigrierte sie nach London und teilte das Schicksal der Emigration mit Canetti und seiner Frau, die sie bereits in Wien kennengelernt hatte.

Friedl Benedikt hat sich der von Canetti gestellten Schreibaufgabe mit Passion und Leidenschaft gewidmet und versucht, die Begegnungen mit anderen Menschen in der englischen Emigration detailliert festzuhalten. Die „geborene Erzählerin“, wie es richtig heißen müsste, urteilte und reflektierte nicht, sondern porträtierte die ihr nahen Menschen sehr direkt: Durch Skizzierung ihrer Eigenheiten und Spleens, durch knappe Studien der Räume, in denen sie sich bewegten, und der Dinge, mit denen sie sich umgaben.

Ich lese diese Aufzeichnungen wie Lehrstücke in der Porträtkunst und damit wie Studien für einen Roman. Seltsam und überraschend ist, dass auch Canetti von dieser Porträtkunst lernte. In seinen späten Lebensjahren dachte er daran, seine dreibändige Autobiografie um einen Band über die „englischen Jahre“ während der Emigration zu verlängern. Dazu kam es nicht mehr, wohl aber sind die Entwürfe und Skizzen zu diesem Projekt erhalten. Nachlesen kann man sie in dem Nachlass-Band Party im Blitz, der Canettis Studien der britischen Gesellschaft sammelt.

Man sollte beide Bücher, das von Friedl Benedikt und das von Canetti nacheinander lesen und vergleichen. Was wird man entdecken? Die Spuren eines Unterrichts, in dessen Verlauf die Schülerin sich emanzipiert und zur Romanautorin wird – und in dessen Verlauf der Lehrer seine Aufgabenstellungen allmählich vergisst und sich die Aufgaben selber stellt.

Architekturbiennale in Venedig

Am vergangenen Samstag (10. Mai 2025) hat in Venedig die Architekturbiennale begonnen. Hier die notwendigen Informationen:

https://www.labiennale.org/en/architecture/2025

Viele Galerien zeigen in Venedig Kunst, die sich auf  die Themen der Biennale bezieht. So auch die Galerie meiner Mainzer Freundin Dorothea van der KoelenWays of Hope. Vor kurzem hat sie ihre Ausstellung vorgestellt und nach Venedig eingeladen:

Nähere Betrachtung eines Pfauengemäldes

Manchmal schließt sich ein Kreis. Am vergangenen Freitag (09.5.2025) habe ich im Düsseldorfer Goethe-Museum zum vorerst letzten Mal das Buch über die Summa creativa meiner Hildesheimer Lehre des Literarischen Schreibens vorgestellt (Nach allen Regeln der Kunst. Schreiben lernen und lehren).

Am Tag darauf (09.05.2025) war die junge Schriftstellerin Maria Bidian in der ausverkauften und bis auf den letzten Platz besetzten Sala Ortheil in meinem westerwäldischen Heimatort Wissen/Sieg zu Gast – und wir erkundeten gemeinsam die Entstehung ihres ersten Romans: Das Pfauengemälde, dessen Anfänge ich während eines Textmentorats in Hildesheim noch begleitet hatte.

Wie verlaufen solche Erkundungen? Sie beginnen mit Fragen nach der Herkunft, dem Aufwachsen und Lernen, Fragen also nach dem elterlichen Raum und den ersten Einflüssen von außen.

In Maria Bidias Fall waren diese Einflüsse durch die rumänische Herkunft ihres philosophierenden und Yoga lehrenden Vaters und ihrer deutschen Mutter geprägt. In Mainz war sie 1988 zur Welt gekommen, in Wiesbaden wuchs sie bei den Eltern auf und besuchte Schulen, die starke Akzente auf die Ausbildung in Fremdsprachen setzten. Ein Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft, Germanistik und Philosophie schloss sich an, und es entstanden Tagebuch- und Weltnotate, die sich in einem freien Schreibprozess nach den Themen ihres Lebens umschauten.

Als das Schreiben packender und zielstrebiger wurde, wechselte sie an die Universität Hildesheim, um dort den Master in Literarischem Schreiben und Lektorieren zu machen. Sie legte ein Exposé für einen historischen Roman vor, in dem es um Figuren der rumänischen Geschichte in Bukarest gehen sollte.

Während des Studiums und der Mentorate, in deren Verlauf sie Exposé und erste Textproben vorstellte, zerfiel dieses Projekt. Vorgeschlagen wurde ihr, den Roman mit rumänischem Stoff in die Gegenwart zu verlegen und aus einer Ich-Perspektive zu erzählen. Das versuchte sie und begann, den Stoff und das Romanmaterial noch einmal zu sichten und zu durchdenken.

Schließlich begann sie den Roman mit der Ich-Erzählerin Ana, die in Deutschland lebt, aber große Zeiten der Kindheit in Rumänien verbracht hat. Sie erhält zwei Jahre nach dem Tod ihres Vaters ein Schreiben ihrer rumänischen Familie, in der vom Gewinn eines Prozesses berichtet wird. Dieser Prozessausgang ermöglicht es der Familie, das in den Zeiten der Diktatur enteignete Familienhaus zurück zu erhalten und neu zu nutzen.

So sind mehrere Erzählstränge gelegt: Die Erzählerin erhält ein Signal, einen Anstoß, der in die eigene Vergangenheit führt. Folgerichtig macht sie sich im zweiten Kapitel des Romans mit dem Zug auf den Weg nach Rumänien (Erste Lesung). Die Zugfahrt zeigt die Inszenierung einer langsamen Durchdringung zweier Räume. Die rumänischen Landschaften schieben sich vor die deutschen Bilder, die Figuren bewegen sich und sprechen allmählich anders, die Gestalt des toten Vaters ist noch immer allgegenwärtig.

Die ersten beiden Kapitel (Signal und Zugreise) sind wie zwei geschlossene Erzähleinheiten komponiert und haben daher auch Überschriften. Auf diesem Weg ließ sich nun weitermachen: Kurze Erzählungen mit jeweils eigenen Motiven waren zu schreiben, wobei ein großer Bogen (der für Zusammenhalt und Spannung sorgte) nicht verloren gehen durfte.

Dieser Spannungsbogen entstand durch das Motiv des Pfauengemäldes. Von ihm hatte der rumänische Vater ein Leben lang erzählt. Wo befindet es sich? Wie sieht es aus? Die Suche der Erzählerin richtet sich also nicht nur auf das alte rumänische Haus der Familie, das sie betritt und neu entdeckt (Zweite Lesung), sondern auch auf dieses Gemälde, das alle Mysterien des Vaters und damit auch ihrer Herkunft in sich zu vereinigen scheint. Was ist darüber zu erfahren? Welche Personen helfen, es zu finden?

Maria Bidians Lesung aus ihrem Debütroman war packend, berührend und ein starkes Beispiel dafür, wie Schreiben gelernt und gelehrt wird. Langer Applaus am Ende, viele Bücher wurden signiert. Und hier und da hörte man die Stimmen der Zuhörerinnen: Auf nach Rumänien! Wohin sollen wir zuerst fahren?!

Eine große Freude – der neue Papst

Gestern drang um 18.08 Uhr weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle in Rom, wo auch die Möven lange auf das Zeichen gewartet hatten.

Wer die Biografie des neuen Papstes zum Beispiel auf Vatican News liest, kann nur staunen. Er hat Mathematik und Philosophie studiert, ist dem Augustinerorden beigetraten und hat später in Theologie promoviert.

Unübersehbar ist ferner seine starke Passion für die sozialen Themen, die ihn für Jahrzehnte nach Peru geführt hat.

In letzter Zeit kümmerte er sich wieder verstärkt um die Belange der römischen Kurie, so dass man den Eindruck erhält, er sei von seinem Vorgänger, Papst Franziskus, auf geheime und versteckte Weise als der Nachfolger im Papstamt aufgebaut worden. (Seltsam, dass bisher kein „Berichterstatter“ das bemerkt hat. Liest man die Biografie, ist es offenkundig …)

Hier eine Version der Vatican News in allen Details:

https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2025-05/papst-leo-xiv-robert-francis-prevost-biographie-konklave.html

Ich freue mich sehr über diese Wahl und wünsche allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs ein schönes Wochenende!

Das Konklave beginnt

Heute beginnt in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans das Konklave, die Wahl des neuen Papstes durch die Kardinäle.

In einer Doku wird interessanten Fragen nachgegangen: Seit wann gibt es überhaupt ein Konklave? Was waren die historischen Hintergründe für diese sehr besondere, einzigartige Form einer Wahl-Inszenierung? Und wie genau verläuft sie?

https://www.3sat.de/gesellschaft/politik-und-gesellschaft/blackbox-konklave-100.html

Am Nachmittag ziehen die 133 Kardinäle in die Sistina ein. Was ist zu hören, was zu sehen?

Wie die Welt weiterging

Ich lese gerade das ungewöhnliche Buch der österreichischen Schriftstellerin Monika Helfer, in dem sie 365 Geschichten für jeden Tag gesammelt hat: Wie die Welt weiterging (Hanser Verlag).

„Du magst doch kalendarische Bücher“, sagte ein Freund zu mir und schenkte mir diese über 750 Seiten, die aber nicht schwergewichtig und abschreckend wirken, sondern eher leicht und locker wie eine Sammlung vieler kleiner Dunkelpralinen.

Jede dieser literarischen Kostbarkeiten ist nicht länger als zwei Seiten, und jede erzählt eine Geschichte, von denen viele (ich wette) Monika Helfer nachts begegnet sind. Einige Konstellationen ihres Lebens bleiben erahnbar oder sind zu erkennen. Es gibt einen Mann, es gibt Kinder, einen Garten und Menschen, die ins Haus schneien und ein Sammelsurium von Erlebtem abladen.

Das versucht eine gute Zuhörerin in Bahnen zu lenken, macht das aber nicht mit dreister Genregewalt, sondern mit Beschwören, Murmeln und Mitträumen. So bleiben die kurzen Erzählungen in schöner Schwebe, wollen nirgendwohin, sondern setzen sich in unseren Leser-Träumen fest.

Wie liest man ein solches Buch? Natürlich nicht Seite für Seite, sondern sprunghaft, manchmal mit starkem Geschichtenappetit oder auch mit diätetischer Spannung. Frei gestellt fühlen wir uns, können uns Zeit lassen, aber auch wild beschleunigen.

Die Schreibwilligen wiederum werden erkennen, wie man ein Buch macht, indem man jeden Tag eine Geschichte schreibt. Nachschreiben! – heißt die Verlockung!