Der Verlockung der Instagram-Welten

Erst vor kurzem ist mir aufgefallen, wie viele meiner älteren Freundinnen und Freunde sich auf Instagram bewegen und dass es vor allem jene sind, die früher oft behauptet haben, sie würden sich niemals mit Instagram vertraut machen und lehnten Instagram kategorisch ab. Habe ich da etwas missverstanden, oder was steckt dahinter? Und weiter – sollte auch ich mein digitales Leben in dieser Richtung ändern und mich auf Instagram austoben?

Mal langsam. Anscheinend hat es auch deutschlandweit einen Durchbruch zu Instagram gegeben, das sich in der Zahl der Nutzer längst vor Facebook geschoben hat. X, früher Twitter, hat anscheinend kaum noch größere Bedeutung, während TikTok vor allem bei jüngeren Menschen stark im Kommen ist. Wie kann man sich diese Veränderungen erklären?

Da stelle ich mich mal janz dumm, sage ich mit Lehrer Bömmel aus der „Feuerzangenbowle“ – und frage: Wat is eijentlich Instajram? Nun ja, Instagram ist eine Plattform, auf der man Videos oder Fotografien bearbeitet, postet und manchmal auch beschreibt. So haben ihre Erfinder sie in den Anfängen jedenfalls verstanden. Als ein Angebot, eigene Bilder, Bildfolgen oder Serien zu senden und viele Nutzer an deren Wahrnehmung zu binden.

Die Bildlichkeit spielte stets die Hauptrolle gegenüber dem Textuellen, das höchstens noch in den Beschreibungen oder Kommentaren von eher geringer Bedeutung war. Die Fotos und Videos sollten für sich selbst sprechen, getreu dem irreführenden Gemeinplatz, dass Bilder oft mehr als Worte sagen.

Was sie sagen, sollen sie darüber hinaus schnell sagen. Die rasch aufeinander folgenden Bildsequenzen erlauben kein langes Betrachten oder gar Nachdenken. Die Nutzer sollen das flüchtig Gesehene kurz zur Notiz nehmen, bevor es wieder verschwindet. TikTok hat den nächsten Schritt zur noch rascheren Nutzung getan, indem nur Videos auftauchen und das Textuelle so gut wie gar keine Rolle mehr spielt.

Mir fällt auf, dass die Fotografien und Videos meines Freundeskreises vor allem etwas zeigen wollen. Sie stellen Momente oder Sachverhalte ruckzuck aus, und sie verlassen sich darauf, dass diese Präsentationen gefallen. Ohne viel Drumherum sind die meisten dem normalen Alltag entnommen, und oft überschlagen sich meine Freunde dabei, etwas Alltägliches als geradezu sensationell vorzustellen. Lou ist mit ihrem Hund Gassi um die Ecken gegangen – Donnerwetter! Und Paul hat in kürzester Zeit drei Kölsch hintereinander getrunken – unglaublich!

Kurios werden diese Stories in meinen Augen dann, wenn auch Prominente sich dieser simplen Dramaturgie bedienen. Julia Klöckner hat in ihren Sommerferien keine Bratwurst ausgelassen, ohne sie auf einem traditionellen Fest Ihres Wahlkreises zu begrüßen und durch die Wählerscharen zu tragen.

Andere Prominente, vor allem aus deutschen Verlagen, halten ununterbrochen Bücher hoch und in die Kamera, ohne dass ihnen zu den Titeln viel Wegweisendes einfallen würde. Manchmal genügt schon ein „Juchhu!“, um bei den anderen Nutzern einige Rückmeldungen in ähnlichem Ton auszulösen: „Top“ oder „Wow“! Und das alles in einem Klima bester und für deutsche Verhältnisse geradezu enthusiastischer Laune!

Ich habe den Verdacht, dass Instagram eine süchtig machende Droge ist, die in einer ganz anderen, erfundenen Welt spielt. Ihre Menschen umarmen sich laufend, reagieren auf jeden Reiz mit anerkennenden oder gar begeisterten Worten und knien hingerissen in den Konzerten der vielen Musikheroen, deren hoch virtuose Konzertmitschnitte im großen Reigen fulminant mitspielen.

In bunter Folge erscheinen außerdem völlig unerwartet Menschen, die sich darin üben, einen verblüffenden Auftritt vor Publikum zu inszenieren. Damit verglichen wirkt Papst Leo XIV. bescheiden und reiht sich damit ein in die Bescheidenheitslehre von Ministerpräsident Kretschmann, der die Bayern Angeber nennt und sein schwäbisches Lieblingswort auf die Instagram-Follower loslässt: „Hälinga“: „man gibt nicht mit seinem Reichtum an, wir machen gute Sachen, wichtige Sachen, aber halt bescheiden“.

Irgendwann konnte auch ich nicht mehr standhalten und habe mich hinreißen lassen, der Instagram-Gemeinde beizutreten. Momentan rede ich mich damit heraus, dass ich die Bildfolgen meiner Fotografien als eine Art visuelles Tagebuch betrachte. Dass ich selbst dann und wann auf diesen Fotos leibhaftig erscheine, ist mir aber noch immer sehr unangenehm.

„Ich habe diese Fotos nicht gemacht“, sage ich und schaue weg, in die Ferne. „Wer denn?“ hat Paul nachgefragt. „Der Genius Instagrammaticus“, habe ich betont bescheiden geantwortet. Es handelt sich um einen antiken Sprachlehrer aus dem Kreis um Seneca. Weitgehend unbekannt, aber wegen seiner stoischen Gelassenheit sehr geschätzt! Wow!!

Der japanische Taschenkalender für das Jahr 2026

 

Japanischer Taschenkalender
Japanischer Taschenkalender

Bereits zum zehnten Mal erscheint in der DVB Mainz der wundervoll ausgestattete Japanische Taschenkalender, jetzt für das Jahr 2026! Ich werde ihn so nutzen, wie ich es bereits mit seinen Vorgängern getan habe. Und wie genau?

Den handlichen Kalender setze ich vielseitig ein. Er enthält Woche für Woche (japanisch/deutsch) das Haiku eines japanischen Wanderpoeten: Text und Erläuterung. Ich lese diese Haikus mehrmals, sie sind ein idealer Meditationsstoff, der sich durch  Textvarianten desselben Stoffes überschreiben und verändern lässt.

So ist die Lektüre eine Inspiration für den eigenen Text, den ich mit einer dünnen Bleistifmine auf die dafür freigehaltenen Seiten schreibe, andererseits aber auch eine Einführung in die altjapanische Kultur, deren Riten und Zeichen ich genauer verstehen lerne.

Ich pilgere also Woche für Woche durch das Jahr: lesend, meditierend, lernend, schreibend – und erlebe so das Jahr in asiatisch geprägten Rhythmen. Dadurch wird ein Kalender zu mehr als einem stummen Objekt, er ist aktiver Teil der Schreibarbeit, die sich der Vorlagen bedient und das japanische Jahr mit seinen Festen und Besonderheiten aus weiter Ferne begeht.

Schiller!

Vier Jahre wurde das Schiller-Nationalmuseum in Marbach am Neckar, dem Geburtsort Friedrich Schillers, saniert. Am 30. Oktober gab es die festliche Wiedereröffnung, mit einer großen, neu konzipierten Ausstellung: Schiller!

Ein Besuch in Marbach ist eine besondere Freude für alle Literatur-Enthusiasten! Ich empfehle, sich ausreichend Zeit zu nehmen und in Marbach auch zu übernachten.

Hier sind erste Informationen:

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/stuttgart/schiller-nationalmuseum-wiedereroeffnung-weimer-marbach-am-neckar-100.html

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich ein ruhiges, entspanntes November-Wochenende!

Christoph Heinrich Kniep – Goethes Zeichner

In der Casa di Goethe in Rom (Via del Corso 18) ist eine große Ausstellung mit Zeichnungen von Christoph Heinrich Kniep (1755-2025), zu sehen, die ihn anlässlich seines 200. Todestages als Goethes Begleiter und Zeichner auf der Italienischen Reise ehrt.

https://casadigoethe.it/de/ausstellung/italien-in-linien-meisterzeichnungen-von-christoph-heinrich-kniep-1755-1825/

Ich selbst hatte Kieps Zeichnungen oft im Auge (einige besitze ich sogar), was auch daher rührt, dass Kniep in Hildesheim geboren wurde. Noch heute gibt es dort ein Wirtshaus im Kniep, und immer wenn ich daran vorbei ging oder zum Essen einkehrte, bildete ich mir ein, bei seinen Vorfahren zu Hause zu sein.

Eine Jean Paul-Feier zum 200. Todestag am 14.11.2025

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blogs, diesmal möchte ich für eine sehr besondere Veranstaltung und Feier werben und Sie herzlich dazu einladen!

Am 14. November 2025 wollen einige Jean Paul-Begeisterte mit mir den großen Schriftsteller Jean Paul (1763-1825) zu seinem 2oo.Todestag ehren und im Westerwald, genauer gesagt in Hasselbach, ein festliches Menü (begleitet durch Beate Roth und ihr wunderbares Jean Paul-Buch) zelebrieren.

Mein Freund Kim Wortelkamp hat bereits eine Einladung verschickt. Hier ist sie:

Am 14. November 2025 wollen wir im Gasthof zur Post in Weyerbusch um 18 Uhr, zusammen den zweihundertsten Todestag des großen deutschen Schriftstellers Jean Paul (1763-1825) begehen. Dafür haben wir uns ein einzigartiges Ensemble von Feiertagszelebritäten ausgedacht.
Zunächst stellt die Jean Paul-Enthusiastin Beate Roth (wohnhaft in Jean Pauls Geburtsort Wunsiedel) ihr soeben mit dem Bayrischen Verlagspreis ausgezeichnetes Buch Jean Paul häppchenweise (Transit Verlag) vor, in dem sie Jean Pauls wunderlichen Küchengeheimnissen bis zu ihren kulinarischen Tiefen folgt. Für unsere Tafelrunde zaubert sie eigens zu diesem Anlass kreierte kleine Speisen, die als Festtags-Menü auftreten.
Nach Beate Roths Herleitung ihrer kulinarischen Ekstasten aus Texten und Ideen Jean Pauls wird der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil darüber sprechen, warum nun wiederum er zum Jean Paul-Enthusiasten wurde und was dieser besondere Enthusiasmus mit seiner eigenen Herkunft, Goethe sowie Gott und der Welt zu tun hat.

Wir bitten um Anmeldung via Mail bis zum 07.11.2025, vorstand@brodverein.de

und Überweisung von 25 € auf das Konto des Brodvereins.

DE97 5739 1800 0022 0243 02

Gasthof zur Post

Kölner Straße 8

57635 Weyerbusch

Jean Paul häppchenweise

Mit diesen festlichen Aussichten verbunden, wünsche ich Ihnen ein ruhiges verlängertes Wochenende!

Das Jahr in Büchern (von Rainer Moritz)

Ich lese gerade ein Buch von Rainer Moritz (geb. 1958 in Heilbronn), der im literarischen Leben der Gegenwart eine absolute Ausnahmeerscheinung ist. Wie kaum ein anderer kennt er die damit verbundenen Institutionen aus eigener Anschauung und Erfahrung.

Er war Lektor, Cheflektor und Geschäftsführer namhafter, großer Verlage und jahrzehntelang der Leiter des Literaturhauses in Hamburg. Er hat aber auch selbst viele Bücher geschrieben, Romane wie Sachbücher, und er hat u.a. Romane von Françoise Sagan und Georges Simenon aus dem Französischen übersetzt.

Oft hat er sich als Literaturkritiker und aufmerksamer Beobachter in den öffentlichen Debatten zu Wort gemeldet, pointiert und gut gelaunt. Sein thematischer Einfallsreichtum ist verblüffend, so dass man Neuerscheinungen seiner Bücher aufmerksam verfolgen sollte.

Ich lese jetzt sein erstaunliches Buch „Das Jahr in Büchern. Literaturtipps für jeden Tag“ (Reclam Verlag 2025). Es enthält, wie er selbst schreibt, „unerschrocken satte 366 Literaturtipps (Schaltjahre also inbegriffen)“. Jeder Tipp umfasst genau eine Seite, die empfohlenen Bücher kommen aus allen Kontinenten und Zeiten, vermehrt aber aus dem 20. und 21. Jahrhundert.

Neben Erzählungen und Romanen sind auch Gedichte vertreten – und doch erhebt diese wunderbar lebendig präsentierte Sammlung keinen Anspruch auf einen Kanon. Nein, es geht Rainer Moritz um eine „durch und durch subjektive Auswahl“ dessen, was ihm gefallen hat. Großen Respekt für diesen Mut und die Lockerheit, mit der er uns seine Lieblinge vorstellt, im Stil kurzer essayistischer Porträts – schaut mal her, ich zeig Euch was!

Ich habe mit ihm viele Entdeckungen und Wiederentdeckungen auf seinen literarischen Spaziergängen gemacht und in den letzten Wochen von vielen der nahrhaften, passioniert angebotenen Lektürespeisen gekostet. Deshalb möchte ich dieses Buch nicht nur als kurzfristige Lektüre, sondern auch als eine Art Kalender empfehlen, dessen Tipps eine versteckte Verbindung zu den Jahreszeiten aufnehmen und, schlicht gesagt, eine enorme Freude machen, sich im Lesen zu verlieren.

Das Jahr in Büchern
Das Jahr in Büchern

Meine Lesung in München und ein Klavierabend

Am kommenden Montag, 27.10.2025, 19 Uhr, endet die zweite Einheit meiner Lesereisen mit einer Lesung im Literaturhaus München. Dazu lade ich die Leserinnen und Leser dieses Blogs herzlich ein, es wird ein Fest! Hier die notwendigen Informationen:

https://www.literaturhaus-muenchen.de/veranstaltung/schwebebahnen/

Am heutigen Abend sendet 3sat um 20.15 Uhr den sehenswerten Soloklavier-Abend der chinesischen Pianistin Yuya Wang im Konzerthaus Wien. Ich empfehle ihn besonders, das Programm spricht bereits für sich: klug, abwechslungsreich, Musik der unterschiedlichsten Epochen!

https://www.3sat.de/kultur/musik/klavierabend-yuja-wang-100.html

Verbunden mit diesen wunderbaren Konzert und im Blick auf eine musikinspirierte Lesung in München wünsche ich ein tonaffiziertes Wochenende!

Tag der Bibliotheken

Morgen ist der Tag der Bibliotheken, der 1995 unter der Schirmherrschaft von Richard von Weizsäcker ins Leben gerufen wurde. Auch aus diesem Anlaß lese ich abends um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Reutlingen aus meinem Roman „Schwebebahnen“, berichte von meiner frühen Prägung durch Bibliotheken (meine Mutter war Bibliothekarin) und unterhalte mich mit Prof. Renate Overbeck und  Prof. Bernhard Rank über mein neues Buch:

https://www.stadtbibliothek-reutlingen.de/-1/veranstaltungen/hanns-josef-ortheil-schwebebahnen

Die Literaturgala der Buchmesse

Für alle, die nicht auf der Buchmesse in Frankfurt/Main sein konnten, gab es am 18.10. ein besonderes Messe-Highlight: Die Literaturgala von ARD, ZDF und 3sat, ab 21.40 Uhr – 23.10 Uhr in 3sat übertragen, jetzt auch in der Mediathek:

https://www.3sat.de/kultur/buchzeit/literaturgala-frankfurter-buchmesse-100.html

Thea Dorn und Denis Scheck sprechen mit einigen Autorinnen und Autoren über ihre neuen Bücher und die Buchmesse. Ich habe die Ehre und Freude, mit Denis Scheck zu sprechen.

https://www.3sat.de/programm?airtimeDate=2025-10-18

Allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs wünsche ich eine lektürereiche Woche!

Die Buchmesse und Lesungen in Frankfurt am Main

Heute öffnen die Tore der  Buchmesse in Frankfurt am Main für Besucherinnen und Besucher. Morgen werde auch ich dort sein.

Mich erwarten viele Gespräche und Interviews – so zum Beispiel am Messestand meines Verlages (Halle 3.0 D 21), etwa Freitag, 17.10., 11.00-11.30 Uhr, mit der Moderatorin Doris Schneyink vom „Stern“.

Meinen Lieblingsverlag, die Dieterich´sche Verlagsbuchhandlung Mainz (DVB), mit ihren besonders schön ausgestatteten Büchern, findet man in Halle 3.1 C95. Dort erhält man auch kostenfrei das neue fantastische Leseheft mit Auszügen aus den Büchern des Verlages.

Aber es gibt auch öffentliche Lesungen in der Stadt, so am Donnerstag, 16.10., 21.45 Uhr im Römer (Römerberg 23), moderiert von Jan Drees (Deutschlandfunk), oder am Freitag, 17.10., um 17 Uhr, ebenfalls im Römer (Römerberg 23), 60 Minuten lang, ohne Moderation.

All diese Termine sind natürlich auch Gelegenheiten für das Signieren von Büchern oder Anregungen aller Art.

Ich freue mich auf viele Begegnungen mit den Leserinnen und Lesern dieses Blogs!

Giovanni Boccaccio
Giovanni Boccaccio