Buchmesse Frankfurt

Ich war einige Jahre nicht auf der Buchmesse, umso größer ist der erste Schock beim Besuch in diesem Jahr. Warum bin ich nicht in meinen Wäldern und Gärten geblieben, anstatt mich diesem Dahintreiben von Zigtausenden von Menschen auszusetzen, für die das Thema Buch ein Vorwand für allerhand Unterhaltung ist? Was um Himmels willen soll ich hier? Die Gespräche sind meist von extremer Kürze: „Seit wann bist Du da?“ Und eine Minute später: „Und wann fährst Du ab?“ Ein Fokus der Beobachtung sind die gleichaltrigen Autorinnen und Autoren: Wie geht es der oder dem? (Schleppender Gang? Tiefe Falten? Dramatischer Haarausfall?) Wie gut, dass zumindest mein Lektor (Klaus Siblewski) ein Mensch ist, der sich in Jahrzehnten nicht verändert hat und in der alten stoischen Ruhe unterwegs ist. In regelmäßigen Abständen laufe ich ihn an und hoffe, dass er mich wiedererkennt. (Fragt er: „Geht es Dir gut?“ ist eindeutig etwas nicht in Ordnung.) Meine eigene Frau (in ihrer Tätigkeit als Verlegerin) erkenne ich dagegen schon nach kurzer Zeit nicht mehr wieder. Sie hat sich voll und ganz in ihren Beruf verabschiedet, ich verstehe ihre Sprache nicht mehr, sie ist mir recht fremd geworden. Ein schöner Moment ist aber der, als ich einen Ortheil-Leser am Stand des Luchterhand-Verlages entdecke. Er liest hoch konzentriert in einem meiner Bücher. Schwarze Brille, ein schwarzes Jackett, schon auf den ersten Blick ein kluger, geistreicher Mann. Natürlich spreche ich ihn nicht an, sondern beobachte in regelmäßigen Abständen aus der Ferne, wie er mit meinem Buch weiterkommt. (Nach beinahe einer Stunde Lektüre nimmt er sich ein zweites vor, was ich nun beinahe schon ergreifend finde.) Sonst aber liegt über allem ein ununterbrochenes, lautes Rauschen, ein gewaltiger Stimmenschwarm mit enormer Frequenz. Er löscht jeden halbwegs stabilen Gedanken sofort wieder, so dass ich aus den Messehallen oft hinaus ins Freie flüchte. Immerhin gibt es dort einen Stand mit Bordeaux-Weinen. Was nehme ich? „Lebhaft und fruchtig“? „Spritzig und fein?“ Nein, das alles nicht. Ich nehme: “Rund und strukturiert“.