Heute Abend ist Lesung in Ravensburg. Und wie bereite ich mich auf so etwas vor? Indem ich mittags spät esse und dann den ganzen weiteren Tag nichts. Kurz vor einer Lesung zu essen, würde müde und lustlos machen. Danach zu essen, würde mich in tiefer Nacht nicht einschlafen lassen. Die Kunst besteht darin, tagsüber überhaupt nicht an die Lesung zu denken. Selbst im Zug nach Ravensburg sollte ich noch etwas ganz anderes im Kopf haben. Niemand soll mich dort abholen, denn das würde mich unnötig früh an die Lesung erinnern. Ich werde allein zum Hotel schleichen, mich in mein Zimmer zurückziehen und etwas lesen, das nichts mit mir und der Lesung zu tun hat. Erst eine halbe Stunde vor Beginn werde ich eine kleine Liste von Lesepassagen anlegen, als hätte ich in den letzten Stunden genau darüber nachgedacht. Dann gehe ich zur Lesung und stehe wenig später in einem überfüllten Saal vor vierhundert Zuhörern, die mich so neugierig anschauen, als fragten sie sich wirklich: Na, was wird er denn lesen?