Schneeglöckchen brauchen nicht ausgesät oder gelüftet zu werden, sie sind jedes Jahr einfach da. Fantastisch, wie sie in Horden lagern, dicht gedrängt, Seite an Seite, in engster Berührung. Frühmorgens öffnen sie ihre Blüten und singen Sopran, halblaute Madrigale der Frührenaissance. Und am Mittag sind sie sonnenbesoffen und lassen die Blütenköpfe schwer hängen. Kommt Wind, zittern sie ein wenig und stehen steif bis in den frühen Abend auf einem Fuß. Sie sind Schnee und Kälte gewohnt, und ein wenig sehnen sie sich noch im schönsten Vorfrühling danach zurück. Rückwärtsgewandt sind sie, beharrlich, utopiefern. Wenn die Sonne im Frühling Ernst macht, klappen sie in sich zusammen und geben sich auf. Spätestens dann sind im TV Übertragungen von Wintersportarten verboten. So bestimmt es das Schneeglöckchendiktum.