Das Gelände der École des Beaux Arts am linken Seineufer ist ein geschlossener Burgbezirk, in den ein Fremder nicht eingelassen wird. Heute aber findet dort ein kleines Fest statt, daher habe ich Glück und werde ohne langes Theater durch den schmalen Kontrolleingang geschleust. Das Sicherheitspersonal, das gegenwärtig in Paris vor jedem Staatstempel steht, hält mich für einen der Gäste, und so darf ich passieren. Die Studenten haben sich in ihre Studios verzogen und lassen sich angesichts des steifen Festaufgebots nicht blicken. Und auch ich habe keine Lust auf langweilige Reden und spaziere lieber auf dem Gelände herum, neugierig auf jede eigentlich unerlaubte Entdeckung. Eine junge Studentin bekommt diese Neugierde anscheinend mit, sie kommt auf mich zu und erkundigt sich danach, was ich suche und woher ich komme. Sie verlangt, dass wir Deutsch sprechen, unbedingt, sie möchte sich Deutsch unterhalten, um sich in dieser Sprache zu üben. Was sie studiert? Inszenierung! Und was umfasst das? Malerei, Fotografie, Film, Architektur! Also studiert sie im Blick auf eine Performance? Aber nein, im Blick auf Inszenierung! Ihre Augen leuchten, als sie davon spricht, als brächten ihre „Inszenierungen“ ganz Paris zum Leuchten und Glimmen. Ich glaube ihr sofort, denn ich sehe es ja direkt vor mir: große Inszenierung, völlig uneitel, aus dem Ärmel geschüttelt, improvisiert, mit einer vom Pariser Schwung getränkten Leidenschaft, die ihresgleichen sucht.