Martin Walser

Auf 3sat lief aus Anlass von Martin Walsers 90. Geburtstag ein Film von Frank Hertweck (Mein Diesseits – Unterwegs mit Martin Walser), den ich als einen sehr gelungenen Film der Sparte „Literatur im TV“ empfand. Das Konzept war ebenso einfach wie einleuchtend: Denis Scheck begleitete Martin Walser durch dessen Kindheits- und Jugendgelände am Bodensee. Er stolzierte aber nicht fragend neben ihm her, sondern fuhr ihn in einem ehrenvoll in die Jahre gekommenen Mercedes durch Dörfer und Landschaften. Hier und da stiegen die beiden aus und schauten sich etwas Konkretes an, Walser geriet nicht nur ins Plaudern, sondern eher ins Nachdenken und Erinnern. So wurde er durch das Gesehene und oft lange Betrachtete (die Zimmer des Elternhauses, das Innere einer Kirche, das Ufer des Bodensees) hypnotisiert und langsam zum Sprechen gebracht. Die von Lesungen und anderen Auftritten her bekannte Walser-Suada kam nicht zum Zuge, stattdessen erlebte man einen aufmerksamen und sich in das Gegenüber vertiefenden Menschen, der die Worte erst sucht und sammelt. Denis Scheck war dabei der ideale Begleiter: von immenser Höflichkeit, zurückhaltend, niemals darauf aus, die Sahne alter Zeiten noch einmal anzurühren und steif zu schlagen. So spürte man förmlich die wachsende Zuneigung, die den wachsamen Moderator und den sich an dieser Wachsamkeit erfreuenden Schriftsteller immer stärker miteinander verband. Von Drehtag zu Drehtag fanden die beiden Reisenden mehr zueinander, und die stärksten Szenen waren genau die, in denen Denis Scheck sich an jedem Drehtagmorgen Walsers Überlinger Wohnhaus näherte: Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Scheck begrüßte die kaum  sichtbare (und während des gesamten Films auch nicht deutlicher erkennbare) Dame des Hauses. Und später, an jedem Abend: Walser wurde vor diesem Haus wieder verabschiedet und tastete sich durch die Dunkelheit langsam zur Haustür zurück. Das war groß, ganz groß!  Ungeplant – und wie „vom Leben“ erfunden… – und damit ergreifender als fast alles, was in diesen Tagen über Martin Walser geschrieben und gesagt wird.