Ich las einige Interviews und Gespräche mit Max Frisch (Max Frisch: „Wie Sie mir auf den Leib rücken!“ Interviews und Gespräche. Ausgewählt und herausgegeben von Thomas Strässle. Berlin 2017). Und ich dachte, dass dieser Schriftsteller als einer der ersten überhaupt die Selbstbefragung zu seinem zentralen Thema und seiner ureigensten Methode gemacht hat. Sich selbst befragen, von anderen befragt werden, das gesamte Fühlen und Denken der Befragung unterwerfen. Morgens aufstehen und beim ersten Blick in den Spiegel schon eine Frage mitdenken. Die Seife in der Hand als etwas betrachten, das den Körper befragt. Das Frühstück minimieren, weil Brötchen, Marmelade und Joghurt unangenehme Morgenfragen stellen. Pfeife rauchen, unablässig, weil man beim Pfeife rauchen den Mund weitgehend geschlossen hält und höchstens vorsichtig oder verkniffen fragt. Aber: Warum das alles? Wer ist hinter ihm her? Was treibt und verfolgt ihn? Es muss eine seltsame, noch kaum erforschte Spielart des schlechten Gewissens gewesen sein, nichts Religiöses, nichts Philosophisches, sondern etwas ganz Schlichtes. Die Empfindung, immerzu am falschen Ort zu sein, nicht da, wo man hingehört – und das außerdem noch mit den falschen Menschen, also nicht mit denen, zu denen man gehört. So dass er sich vorgehalten haben könnte, eigentlich woanders leben und sich rasch dorthin verändern zu müssen – das schlechte Gewissen als Form einer unstillbaren Sehnsucht, die fortwährend an ihm nagte und immer wieder diese starken Wellen der Selbstbefragung auslöste.