Schenken 1

Seit dem ersten Advent schicke ich verstärkt Karten, Briefe, Päckchen in alle Welt. Nicht unbedingt an sehr gute Freunde, sondern auch an Bekannte, die durch solche Grüße vielleicht überrascht werden. Für jede Adressatin oder Adressaten schreibe ich einen eigenen Text, meistens erzähle ich davon, wie ich auf das jeweilige Geschenk oder all das gekommen bin, was ich unbedingt mitteilen möchte. Seltsamerweise führt der Advent aber in meinem eigenen Fall zu einer gegenläufigen Bewegung und fortschreitenden Zurücknahme von Ansprüchen. Ich könnte gut und gerne auch ohne Geschenke auskommen, sie müssen wirklich nicht sein, manche sind nur hilflose Gesten oder haben etwas Peinliches, Aufdringliches. Man muss mir also nichts schenken – vor allem nicht in der Weihnachtszeit, wenn die meisten an Geschenke denken. Andererseits beschenke ich selbst aber gern andere Menschen, das ganze Jahr über,  jetzt aber (zugegeben) besonders intensiv. Ein gutes Geschenk ist im besten Fall ein gelingender kleiner „Treffer“. Ich habe ein Moment oder ein Detail an jemand anderem entdeckt, das mich fasziniert und beschäftigt. Darauf reagiere ich und denke mir etwas dazu aus, das diese Faszination anspricht oder umspielt. „Umspielt“ ist ein sehr passendes Wort: Geschenke sollten die Welten des Gegenüber umspielen, etwas davon zitieren, verwandeln und ihnen einen zusätzlichen, neuen Akzent verleihen. Nun gut, das alles ist vielleicht etwas abstrakt, ich sollte von Beispielen erzählen, dann kann man sich genauer vorstellen, was ich meine.