Gegen 7 Uhr sind wir zum Warmlaufen in die nahen Wälder aufgebrochen. Kein Mensch war unterwegs, wir hatten es nur mit den Vögeln, einem Fuchs sowie ein paar Eichhörnchen zu tun, die ebenfalls mit Aufwärmübungen beschäftigt waren. Dehnen, Strecken, vor allem der Rücken muss fit sein, wenn das große Match beginnt. Zu Hause tranken wir leicht erwärmtes Wasser und schluckten zwei Vitamintabletten, dann heißes und kaltes Duschen, mehrmals, bis der Kopf so präsent ist, dass er nur noch „Spiel, Satz und Sieg“ denkt. Keinen Kaffee, stattdessen eine Tasse Tee sowie getoasteten Rosinenplatz mit ein wenig Waldhonig. Niemand wird es jetzt wagen, uns anzusprechen, wir befinden uns genau da, wo wir uns sowieso am liebsten befinden: bei uns selbst. Dann ist es soweit. Wir legen unsere Australian Open-Handtücher (in den Blautönen des blauen Plexicushion-Belags) exakt nebeneinander, stellen unsere drei Wasserflaschen mit den unterschiedlichen Elektrolyt-Mischungen in Reih und Glied daneben, binden unsere Tennisschuhriemen noch zweimal neu, streifen unser Stirnband über, lassen den Schläger in der Rechten rotieren und begeben uns auf den Platz. Mit genau zwölf Schritten sind wir an der Grundlinie, das machen wir immer so, denn die Zahl Zwölf steht für die Jünger Jesu – und das bedeutet uns viel. Zum ersten Mal nehmen wir den Gegner ins Auge, den wir bisher komplett ignoriert haben. Unseren scharfen Blicken entgeht nicht, dass seine Schuhriemen nicht richtig sitzen, das begreifen wir rasch als gutes Zeichen. Der Kerl uns gegenüber ist extrem nervös, wir werden das Match also mit einem As eröffnen. Oder?! Fragen sind jetzt nicht mehr zugelassen, wir sind Bestien der Konzentration. Kurz nach neun Uhr mitteleuropäischer Zeit beginnt das Endspiel der Australian Open: Roger Federer gegen Marin Čilić … – 6:3, 6:7, 6:3, 3:6, 6:1 …