Leserin: Haben Sie dieses Foto gemacht? – Ortheil: Ja, gestern Abend, im Backstage-Bereich meiner Lesung in Mannheim. – L.: Es sieht aus wie ein Bühnenbild! – O.: Ja, genau das dachte ich auch. Das ist Bühne, große Bühne, sechziger oder siebziger Jahre, eine Inszenierung am Düsseldorfer Schauspielhaus. So sahen damals die Inszenierungen aus. – L.: Und welches Stück, welcher Autor? – O.: Ich dachte sofort an Harold Pinter, dessen Stücke damals sehr oft gespielt wurden. Stücke wie Der Hausmeister. Zu Beginn ist die Bühne leer, und die Zuschauer starren nur auf dieses Möbel-Ensemble. Couchgarnitur mit Kissen, Tisch, Blumen, den Kühlschrank – und die Uhr. Die Uhr ist sehr wichtig. Erst nach einer Weile betritt der erste Schauspieler die Szene. Ein Mann in den Jahren. Er geht langsam auf den Kühlschrank zu, öffnet ihn und schnappt sich ein Bier. – L.: Es könnte aber auch ein Filmset sein, so wie das Licht geführt ist! – O.: Stimmt, könnte auch. Ein britischer oder amerikanischer Film, mit Michael Caine oder einem anderen dieser Schlitzohren, die damals in solchen Filmen gespielt haben. – L.: Großes Kino! – O.: Ja, richtig großes Kino. Habe ich damals sehr gerne gesehen: Michael Caine, Donald Sutherland … – L.: Und nun saßen Sie gestern Abend selbst in diesem Filmset. Was haben Sie getan? – O.: Nichts. Ich habe mich nicht getraut, in diesem perfekt ausgeleuchteten Set Platz zu nehmen, ich habe mich an den Rand gesetzt und das Bild angestarrt. – L.: Und weiter? – O.: Ich habe mein eigenes Stück geschrieben, im Kopf, es ging sofort los. – L.: Hatten Sie gleich einen Titel? – O.: Ja, sofort: Backstage. – L.: Und was passierte dann? – O.: Ich wartete, bis mein Bühnenauftritt bevorstand. Ich wurde langsam zu meiner eigenen Bühnenfigur. – L.: Und auf der Bühne haben Sie einen Ausschnitt aus ihrem neuen, gerade im Kopf entstandenen Stück gespielt? – O.: Das wäre perfekt gewesen. Soweit bin ich aber noch nicht. Irgendwann vielleicht. Momentan noch nicht. – L.: Und was haben Sie stattdessen getan? – O.: Ich habe „Ja“ gesagt! – L.: „Ja“? Einfach so? – O.: Genau, ich beginne all meine Lesungen mit einem „Ja“, es ist idiotisch, aber es ist so. Ohne dieses „Ja“ kann ich nicht loslegen. – L.: Interessant. Haben Sie darüber einmal mit einer Psychoanalytikerin gesprochen? – O.: Nein. – L.: Sollten Sie aber, so ein „Ja“ sagt viel aus. – O.: Glauben Sie? – L.: Unbedingt. Ihr „Ja“ ist ein Bühnen-Ja, ihre Zustimmung zur Bühne! – O.: In Ordnung. Meine Zustimmung zur Bühne. Leider noch ohne Stück, nur improvisiert. Kein Backstage, sondern Der Autor auf der Bühne, lesend, erzählend. – L.: Auch das kann sehr schön sein. – O.: Kann. „Ja“.