Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Schaute auf Empfehlung eines Freundes, der ein typischer Kinogeher ist (von so einem Typus erzählt etwa Walker Percy in seinem Roman The Moviegoer), den Film Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. Ich war überrascht, wie genau sich der Regisseur und Drehbuchautor Martin McDonagh an die klassischen Regeln des amerikanischen Creative-writing-Drehbuchs gehalten hat, um sie dann konsequent auf den Kopf zu stellen und zu unterlaufen.

Der Film beginnt mit einem starken, auslösenden Motiv, in das eine Rückblende (als eigene Geschichte) integriert ist. Eine Frau hat vor einigen Monaten ihre Tochter verloren. Sie wurde vergewaltigt, ermordet und verbrannt. Da die örtliche Polizei keine besonderen Anstalten zeigt, diese Verbrechen aufzuklären, lässt die Mutter außerhalb der Ortschaft drei große Werbeplakate anbringen, auf denen die Polizei zum Recherchieren und Handeln aufgefordert wird. Soweit die Disposition.

Nicht die (eventuell) einsetzenden Recherchen stehen danach aber im Mittelpunkt, sondern die Dramen, die das Aufstellen der Plakate bei allen Betroffenen (den Polizisten, der Mutter und ihren Nächsten) auslöst. Klassisches Creative-writing besteht darin, sich auf diesen engeren Kreis der Betroffenen zu konzentrieren und deren psychische Veränderungen (Figur für Figur, abwechselnd von der einen zur anderen und wieder zurück springend) einzufangen. Solche schleichenden Veränderungen treiben auf harte Konfrontationen und Auseinandersetzungen zu, die (ebenfalls eine nach der andern, sich steigernd) in Gewaltszenen explodieren.

Das wäre das Übliche. Die Brillanz des Films besteht nun aber darin, die angelegte Disposition laufend zu drehen und wenden. So geraten die Polizisten ebenso aneinander wie die Mitglieder der betroffenen Familie – wobei (mit geradezu penibler Gründlichkeit) die Kehrseiten jeder einzelnen Figur durchleuchtet werden. Die Mutter (Frances McDormand erhielt für die Rolle der Mildred Hayes gerade den Oscar als beste Hauptdarstellerin) ist von diesen Drehungen ebenso betroffen wie die Polizisten, jede einzelne Figur (und sei sie anfänglich noch so positiv oder negativ disponiert) gerät in die sich fortschreibende Psychodynamik des ersten starken Signals: Drei blutrote Werbeplakate mit lauter Fragen werden aufgestellt. Sie leuchten Tag und Nacht, sie werden verbrannt, sie werden erneuert – und das sogar zu einem Zeitpunkt, als der angeklagte Polizist sich längst das Leben genommen hat. (Er hat – grandiose Idee – die erneute Aufstellung der Plakate nach seinem Tod finanziert …)

Das Bild der drei hintereinander (gestaffelt) aufgebauten Werbeplakate in freier Landschaft wird man nie vergessen. Es ist ein Urbild der Angst: Dreimal wird die Geschichte sich wenden, bis sie alle zu Beginn konstruierten „Identitäten“ vollständig gelöscht hat. Es gibt kaum etwas Irritierenderes.