Nein, liebe Freundin …,

ich bin nicht in Leipzig, keinen einzigen Tag, nicht mal ein paar Stunden. Ich verfolge auch die Interviews und Gespräche dieser Buchmesse nicht, nein, ich tue es nicht. Es ist unerwartet kälter geworden, die wenigen Vorfrühlingsspuren verblassen. Ich bin unterwegs und schaue nach den kleinsten Erstblühern, als hätten sie sich raffiniert vor mir versteckt, damit ich sie suche und finde. Sie mischen sich unter das alte, geflochtene Herbstlaub oder drücken sich in die porösen Ritzen der Trockenmauern. Die meisten halten engen Bodenkontakt, ein Kauern, Hocken, Lauern, kaum kenntliche Farbwucherungen, Tupfer in Halbfarben, blasse Nasen, Stielaugen, wacklige Ohren, nichts darunter, was sich hervortraut. Und: Ach ja, in der Uralttasche trage ich Elisabeth Borchers Nicht zur Veröffentlichung bestimmt (Weissbooks 2018) mit mir herum, ein gerade erschienenes Buch, von dem mir gestern jemand erzählte und das mir heute jemand geschenkt hat. Ein Fragment …- lese ich … und lese und lese … – und weiß schon nach wenigen gedehnten Minuten: dabei bleibe ich bis tief in die Nacht … – bei diesem Fragment.