Im Max Frisch-Archiv an der ETH-Bibliothek Zürich (Rämistraße 101) ist vor wenigen Tagen eine Ausstellung mit den Notizheften von Max Frisch eröffnet worden. Frisch war bekanntlich einer der großen Tagebuchschreiber des letzten Jahrhunderts, ja, man kann sogar behaupten, dass große Teile seines Erzählwerks vor allem aus Tagebuch-Konstruktionen entstanden sind. Primär ist jedenfalls die Methode der Selbstbefragung, die oft ins noch schärfere Selbstverhör übergeht. Romane wie Stiller, Mein Name sei Gantenbein oder (ganz dezidiert) Montauk kreisen um solche tagebuchartige Beichten der zentralen Figuren.
Andererseits haben Frischs veröffentlichte Tagebücher aus den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg (Tagebuch 1946-1949) oder aus den sechziger Jahren (Tagebuch 1966-1971) wiederum romanhafte Züge und sind keineswegs krude Mitschriften der laufenden Ereignisse. Solche Mitschriften finden sich vielmehr in den sogenannten Notizheften, aus denen bisher nur wenige Passagen veröffentlicht wurden.
Im Max Frisch-Archiv werden über hundert solcher Notizhefte aufbewahrt. Über das Arbeitsverfahren an diesen „Tagebuchblättern“ hat Frisch selbst Genaues gesagt: „Tagebuchblätter“, schreibt er 1949, „sind Erzeugnisse in den Pausen, Notizen unterwegs, Einfälle in einem Wartezimmer, im Kaffeehaus, in der Bahn oder am Feierabend, bevor man das Licht löscht; es sind, ihrer Adresse nach, immer Notizen an den Schreiber selbst, Briefe ohne Empfänger; ihr Reiz, ihr wesentlicher Reiz ist das Selbstgespräch, die Aussage ohne Stimme, der Umgang eines Geistes mit sich selbst.“
Die Notizhefte bilden also den noch unbearbeiteten Rohstoff der späteren literarischen Arbeit. Ihre Texte, ihre Anlage und ihre Ästhetik zu verfolgen, ist daher hoch interessant für alle, die an der Arbeit in literarischen Werkstätten interessiert sind. Bis zum 28. September haben sie Zeit, sich die Hefte in Zürich anzuschauen und wenig später (etwa im Restaurant/Café La Terrasse, Limmatquai 3) Tagebuchtexte zu lesen, die Frisch in genau diesem Café vor vielen Jahrzehnten geschrieben hat.