Auf der Jagd (Mein Freund Norbert berichtet)

Da ich meinen Bruder früher einmal auf der Jagd begleitet habe, hat mich der Film interessiert. Auf der Jagd heißt er, und es ist ein Dokumentarfilm der Dokumentarfilmerin Alice Agneskirchner, die recht bekannt ist und schon viele Auszeichnungen erhalten hat. Er lief abends als Sondervorstellung in einem eher kleinen Kino auf dem Land.

Ich fuhr also hin und traf im Foyer des Kinos auf lauter Männer in mittlerem Alter, die dort rumstanden und fast schweigend auf Einlass warteten. Ich fragte die Verkäuferin, was los sei, und sie antwortete, es seien lauter Jäger oder Pächter von Jagdrevieren. Das Kino war daraufhin proppenvoll, und es saßen fast nur Männer darin, richtige Kerls, groß, breit. Die Kinobesitzer ließen die Werbung weg und brachten stattdessen ein paar kurze Vorschauen, als könnte man die blöde Werbung Jägern oder Pächtern von Jagdrevieren nicht zumuten.

Dann begann der Jagdfilm, und es gab fast eine Viertelstunde nur lauter eher einsame Tiere (darunter auch Wölfe) in einsamen Landschaften bei Zurschaustellung ihres Naturerlebens zu sehen. Man sah den Rehen, Hirschen und Sauen richtig an, wie wohl sie sich fühlten: sie bekamen ja zu fressen, was immer sie wollten, sie bewegten sich uneingeschränkt, es ging ihnen gut.

Nach der stillen ersten Viertelstunde begannen die Fragen: Dürfen die Tiere das? Stören sie nicht? Machen sie nicht zu viel Mist? Soll man sie in bestimmten Quartieren unterbringen und dafür sorgen, dass sie die nicht verlassen? Wie viele Rehe, Hirschen und Saue werden in Deutschland im Jahr abgeschossen? (Es sind unglaublich viele.) Was sagt eine Wildbiologin dazu? Was ein Forstverwalter? Was ein Berufsjäger? Die Gespräche mit diesen Leuten jeweils vor Ort in den Wäldern waren interessant und informativ – und genau das war der ganze Film. Ein perfektes Angebot auch für Schulklassen oder einseitig Informierte oder auch Volkshochschulen, deren Mitglieder sich anhand der vielen Einlassungen zu den Themen Wald, Tier, Jagd selbst ein Bild machen wollen.

Das Interessanteste aber waren die Momente, in denen ein Jäger live von seinem Hochsitz aus zum Beispiel auf ein Reh anlegte. „Tu’s nicht“, hätte ich am liebsten gestört, aber der Typ nahm sich Zeit, lies die Zunge über die Lippen kreisen und gab den Schuss ab. Das Tier brach sofort zusammen, das war fast nicht zum Ansehen. Erst war das Kitz dran und danach auch noch das Muttertier. Beide abgeschossen, waidmännisch, wie es so heißt. Ich spürte, wie all die vielen Jäger im Saal bei diesen Schüssen die Luft anhielten. Sie witterten und zitterten richtig, nicht mit den Tieren, sondern mit dem Typ. Der Jagdtrieb oder die Jagdlust samt Jagdinstinkt breiteten sich schlagartig und geruchsintensiv aus, bis schließlich die Jagdhörner geblasen und die zur Strecke gebrachten Tiere abgefahren wurden. Meine Herren, das waren ganz am Ende Bilder, die stark unter die Haut gingen. Waidmannsheil?! Waidmannsdank?! Ich wurde die Bilder lange nicht los und musste allen Freunden, die den Film nicht gesehen hatten, lange davon erzählen …