Seit gestern kann man in 3sat die Übertragungen vom diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt verfolgen. Vierzehn Autorinnen und Autoren lesen eine halbe Stunde einen noch unveröffentlichten Text, und eine Jury von sieben Kritikerinnen und Kritikern unterhält sich darüber.
Ich empfehle allen, die an Schreiben, neuer Literatur und aktuellen Themen interessiert sind, das Gerede über das Für und Wider des Wettbewerbs zu ignorieren. Stattdessen sollten sie das Ganze als ein Labor betrachten, in dem man sich neugierig und forschend umschaut. Wie könnte das klugerweise geschehen?
Auf der Webseite des ORF (Stichwort „Bachmannpreis“) kann man die vorgetragenen Texte abrufen. Ich schlage vor, sie (über mehrere Tage verteilt) in Ruhe zu lesen und sich kommentierende Notizen zu machen. Erst n a c h der Lektüre eines Textes sollte man die (ebenfalls auf der Webseite abrufbare) Video-Aufzeichnung der jeweiligen Lesung anschauen, um die Lektüreeindrücke mit den Eindrücken von der Lesung zu vergleichen. Hat die Lesung den Texteindruck erweitert, hat sie ihn ruiniert etc.? Zuletzt sollte man sich die Kommentare und Deutungen der Jury ansehen, um genauer zu erkennen, wo und wie das eigene Urteil über das Gelesene, Gesehene und Gehörte im Spektrum der Meinungen zu verorten ist.
Zusammen genommen ergibt das eine „präzise Laborarbeit“ (von wahrscheinlich mehreren Tagen): entzerrt, sinnvoll abgestuft, mit großem Lern-, Übungs- und Erfahrungseffekt (auch für das eigene Schreiben). Schaut man sich dagegen Lesung auf Lesung wie einen pausenlosen Stream von Auftritten und Kritiken an, so bestraft einen zwar nicht das Leben, wohl aber der Tiefschlaf.