Die tägliche Fitness

Mein Smartphone ist seit seinem Kauf mit einer von mir gar nicht gewollten App bestückt, die meine tägliche Fitness kontrolliert. Zunächst wollte ich sie löschen, dann fand ich ihre Rückmeldungen aber interessant und vor allem komisch. Jeden Morgen grüßt sie mich mit meinem Vornamen und rechnet mir vor, dass ich zum Beispiel gestern „13 Minuten aktiv“ war. Heute solle ich es mal mit 23 Minuten versuchen. Der Hintergrund ist klar: Gestern habe ich mein Smartphone nur 13 Minuten mit mir herumgetragen (und das reicht doch, ich lasse es lieber irgendwo liegen und vergesse es). Heute aber soll ich es am besten den ganzen Tag bei mir haben und ausführen wie ein Haustier  (das könnte meinem Anbieter so passen!).

Angeboten wird mir auch eine Stressmessung. Wenn ich den Finger auf einen Sensor lege, erhalte ich die Nachricht, dass ich beängstigend stressfrei bin und ein wenig Stress nachlegen soll. (Man kann diese Meldungen übrigens sehr leicht manipulieren, was manchmal sehr hilfreich ist. Bin ich etwa mit meinem Freund Udo unterwegs, kann ich mal rasch den Stresstest machen – und mich von ihm verabschieden: „Du, Udo, mir geht’s gerade nicht gut. Meine App meldet horrenden Stress…“)

Rund um die Uhr werden auch meine Sauerstoffsättigung, meine Nahrungsaufnahme, mein Blutdruck sowie meine Wasserzufuhr kontrolliert. Wollte ich mich diesen Kontrollen hingeben, wäre ich den ganzen Tag mit lauter Mumpitz beschäftigt. Erstaunlicherweise scheint das vielen Menschen nichts auszumachen, denn in den nahen Wäldern erlebe ich, dass kaum ein Mensch ohne Smartphone und diverse Kontrollen unterwegs ist.

Harmlos sind noch jene Spaziergänger, die allein unter einer dicken Buche stehen und die neusten Befindlichkeiten streuen: „Ich habe ihm immer gesagt, dass ich seine Schwester nicht mag. Aber er hört nicht auf mich …“ Angestrengter wirken Läuferinnen, die sich von lauten Kommandos ihrer Fitnessmaschinen anspornen lassen: „Schneller, Traude, schneller, Du packst es!“ Professionell aber sind jene Pedelec-Fahrer unterwegs, die ihre abnormen Geschwindigkeiten der Liebsten zu Hause melden: „Schatz, vierunddreißig Kilometer im Schnitt – und das nach nur einem Brötchen mit jungem Gouda und einer kleinen Fassbrause …“