Im Dorf treffe ich B mit ihrer Enkelin. Das Kind ist so gut gekleidet, dass ich es länger anstarre. Ist es selbst auf all diese Ideen gekommen, auf die Lockenfrisur, das blaue Kleidchen, die hellen, sportlichen Schuhe? Oder ist dieser Stil eine Erfindung von B, die mit mir verwandt ist, vielleicht aber auch längst vergessen hat, dass sie das ist?
Mit der kleinen Enkelin ist sie auf dem Weg zu einem Fahrradladen, das Kind soll bald sein erstes Rad bekommen. B erzählt detailliert, an welches Fabrikat die beiden denken, und die kleine Enkelin streut in diesen Monolog locker hier und da ein paar Angaben ein: es soll zwei Stützräder haben und grün sein und einen Fahrradkorb vorn.
Das erinnert mich an mein eigenes erstes Fahrrad. Es war viel zu groß, und ich hatte bei den ersten Fahrten etwas Angst, da ich mit den Füßen nicht einfach den Boden berühren konnte, sondern immer erst absteigen musste. Ich versuchte, davon möglichst komisch zu erzählen, wurde aber schon während des ersten Satzes ausgehebelt. Denn das Kind erzählte nun von seinem blauen Kleidchen und den sandfarbenen Schuhen und warum ein grünes Fahrrad dazu passe, während B in diesen Monolog ein paar Angaben einstreute: wo sie das Kleidchen und wo die Schuhe erworben hatten.
Ich passte den kurzen Moment ab, in dem beide mit ihrer Darbietung ans Ende kamen und sprach von meinem ersten Fahrrad, das schwarz und viel zu groß gewesen sei …, was aber weder B noch ihre Enkelin länger als einen Halbsatz interessierte, denn B erzählte nun davon, wie sie das grüne Fahrrad mit dem Fahrradkorb vorn im Internet ausfindig gemacht und über eine Stunde nach diesem Volltreffer gesucht hatten, wobei die kleine Enkelin sämtliche Suchadressen nannte, mit deren Hilfe nach dem passenden Rad gesucht worden war.
Ich unternahm zaghaft noch einen dritten Versuch und erwähnte mein erstes Fahrrad, auf dem ich gleich nach dem Kauf einen Berg viel zu schnell und ohne Ahnung, wie ich hätte bremsen können, hinabgefahren war, als Bs Enkelin von der Vorder- und Hinterradbremse ihres zukünftigen Rades erzählte und davon, dass der Sattel höhenverstellbar sei …, was mich dann aber doch derart reizte (um nicht zu sagen: ärgerte), dass ich mich mit den Worten „Ciao, Ihr Lieben, ich hab’s eilig und muss zu meinem BMW-Händler! Meine Probefahrt auf der R 1200 R beginnt in zehn Minuten!“ – „Was ist das?“ fragte die kleine Enkelin noch, und ich antwortete: „Das ist das heißeste, schnellste und geilste Motorrad, das Du in unserem Dorf kaufen kannst!“