Joseph Joubert (1754-1824) hat sein Leben lang kein Buch veröffentlicht, aber unaufhörlich notiert und geschrieben. Maurice Blanchot hat behauptet, dass Joubert auf diese Weise „Vorbereitungen, eins zu schreiben“, getroffen habe – aber das glaube ich nicht. Die Entscheidung, den fortlaufenden Strom des Nachdenkens für sich zu behalten, ist radikal. Er hat mit dem Entschluss, sich diesem Strom ganz anheim zu geben und keine Verfestigungen oder Abspaltungen zu dulden, zu tun.
Bis zu Jouberts Tod waren die unendlich vielen Notizen seines Lebens (zweihundertfünfzig kleine, gebundene Notizbücher) nicht nur ein Teil dieses Lebens, sondern sein Träger, sein Element, seine Dynamik. Hätte er ihnen etwas für die Veröffentlichung entnommen, hätte sein Schreiben eine zweite oder gar dritte Funktion (und unbestimmte Wirkungen) erhalten. Das aber wollte Joubert nicht, er wollte eins bleiben mit dem Geschriebenen – und so dichtete er es für immer nach außen hin ab: „Ich will nichts zu Papier bringen als das, was ich mir selber sagen möchte.“
Freunde (wie Denis Diderot, Restif de la Bretonne oder François-René de Chateaubriand) wussten natürlich von diesem Schreiben – und einige von ihnen kümmerten sich später um diese Texte und veröffentlichten sie in Auszügen. So wurde Joubert schließlich doch noch ein zwar nicht sehr bekannter, bis in die Gegenwart aber (vor allem von Literaten – wie etwa Elias Canetti oder Paul Auster) hoch geschätzter Schriftsteller.
Ein ganzes Leben lang nichts zu veröffentlichen und doch im Schreiben zu leben – das ist für Schriftsteller eine eminent verführerische Fantasie. Sie kokettiert mit dem Glück des Einsamen, der sich ein Weltreich der Schrift erbaut, ohne nach rechts und links zu schauen und mit dem schalen Schimmer des literarischen Lebens zu liebäugeln. Franz Kafka hatte den Traum von dieser Fantasie immer wieder vor Augen, erlag aber den Gespenstern um ihn herum, die ihn zum Druck seiner Arbeiten und sogar zu Lesungen einluden.
Eine neue Auswahl aus Jouberts Notizen ist jetzt wieder auf Deutsch erschienen (Joseph Joubert: Alles muss seinen Himmel haben. Aus seinen Notizen. Auswahl, Übersetzung und Vorwort Martin Zingg. Nachwort Paul Auster. Jung und Jung 2018). Natürlich kann man diese kurzen, extrem verdichteten Texte jederzeit, immerzu, ja, ein Leben lang lesen. Im Sommer wirken sie aber besonders stark. Als schluckte man scharfe Pastillen gegen die Hitzeblödigkeit, als nähe man kleine Drogen gegen Lethargie, als ermunterte man sich, ein gewisses Niveau um keinen Preis zu unterschreiten. Also: Joubert lesen! Tag und Nacht: „Werk, das nach Sonne riecht, Werk, das nach Kerze riecht“ …