In den frühen siebziger Jahren studierte ich in Mainz und nahm während der dreimonatigen Semesterferien des Sommers am frühen Morgen den Bus. Vom Hauptbahnhof fuhr er zum Rhein und über die Theodor Heuss-Brücke auf die andere Seite. Ein schmaler Gehweg verlief direkt am Ufer entlang auf einer Insel, hin zum schönsten Freibad der Welt. Es hieß „Maaraue“ und wurde auf der einen Seite vom Main, auf der anderen aber vom mächtigeren Rhein eingerahmt. Gegenüber zeichnete sich die Silhouette der Stadt mit ihrem sandsteinfarbenen Dom, der Stephanskirche und dem Kurfürstlichen Schloss ab.
Nacheinander trafen am frühen Vormittag auch die Freunde ein, von denen die meisten Philosophie studierten. Auf der großen, viel Platz bietenden Liegefläche fanden wir ein bequemes Lager irgendwo am Rand, unter einem schattigen Baum. Wir schwammen, lasen zusammen philosophische Texte (Adorno, Benjamin, Heidegger) und hörten Musik.
Am frühen Abend wurden die ersten Gläser Weinschorle gezischt, Kopfsprünge vom Sprungturm waren die Folge. Als das Bad schloss, zogen wir weiter ans Rheinufer und entzündeten dort unsere Grillfeuer. Dazu wurden schließlich härtere Sachen getrunken, Edelbrände aus dem Rheingau, die ein befreundeter Winzersohn mitbrachte. Erst weit nach Mitternacht trennten wir uns, sonnendurchglüht, begriffstrunken, dionyische Nomaden des Wissens.