Charles Aznavour ist im Alter von 94 Jahren gestorben. 2013 gab er im Pariser Olympia noch ein denkwürdiges Konzert (das man in Ausschnitten über Youtube verfolgen kann).
Einer der berührendsten Momente ist der, als er sein großes Publikum dazu auffordert, das Chanson La Mer mit ihm zu singen. La Mer ist von Charles Trenet, der es vor vielen Jahrzehnten (noch während des Zweiten Weltkriegs) geschrieben hat. Längst ist es zu einem der bekanntesten und beliebtesten französischen Chansons geworden, jedes Kind kennt es.
Aznavour geht also auf der kleinen Bühne auf und ab und schlägt vor, La Mer gemeinsam zu singen. Gemeinsam zu singen, das sei eine besondere Freude, das sei Wärme und Liebe. Und dann stimmt er La Mer an und nimmt seine Stimme zurück, als er hört, dass alle sofort einstimmen und mitsingen und das Chanson sich wie eine kleine Woge entwickelt, anrollend und auslaufend – und erneut anrollend und auslaufend. Er ist völlig betört von dem gemeinsamen Singen, und er lässt sich auf der Bühne treiben und setzt ab und zu ein paar hingehauchte, leise Töne auf die Spitzen der Woge – und so wird er zu dem, was er eigentlich sein will: ein Medium des Liedes, ein Teil seines meeresfreundlichen Murmelns – bis dieses Murmeln verebbt und sich langsam ausblendet, ganz wie das Meer, ganz wie von selbst …