Vor etwas über dreißig Jahren ist mein Vater gestorben. Seither trage ich die Uhr, die er bei seinem Tod am linken Arm hatte. Ich habe sie ihm mehrere Jahre davor geschenkt und damals daran gedacht, dass ihm etwas sehr Schlichtes, aber gleichzeitig auch Modernes gefallen würde. Die Uhr sollte einerseits nicht weiter auffallen, andererseits aber doch ein zeitgemäßes Signal senden. Keine Nostalgikeruhr also, sondern eine, die up to date aussah. Der Name der Marke („Pulsar“) kam diesem Wunsch entgegen, er spielte auf astronomische Vorgänge an, einen Neutronenstern und seine Explosion – und damit auf Natur, Weite, Universum. Als reagierte sein Träger darauf, dass seit einiger Zeit Raketen und Satelliten um die Erde kreisten.
Das Geschenk der kleinen Uhr war auf diese Weise eng mit dem Menschen verbunden, der sie erhielt. Sie traf nicht nur seinen Geschmack, sondern spiegelte sein Wesen: Das eines Mannes, der sich nie hervortat und (von Beruf Ingenieur) ebenso naturbesessen wie hingerissen von Forschung war, die auch aufs Weite zielte und den Kosmos mit einbezog. Vom Gärtner, Förster, Geodäten, vom Astronomen und Sternegucker – von all diesen Daseinsformen war mein Vater geprägt. In der Uhr von „Pulsar“ trafen sie zusammen und wurden mit jedem Blick auf den laufenden Zeiger aktualisiert.
Ich besitze viele „Dinge des Lebens“ wie dieses. In ihnen ist die sich verflüchtigende Zeit gespeichert und mit den Emotionen eines Menschenlebens verbunden. Jedes Mal, wenn ich sie sehe oder benutze, bleibt die Zeit einen Moment stehen und gelebte Augenblicke oder Stationen melden sich: Wie stolz die Stimme meines Vaters sich anhörte, als er von seiner „Quartz-Uhr“ sprach! Wie er sie oft (beim Zeichnen) neben sich legte und murmelte: „Jetzt muss sie mal ruhen!“ Und wie er, als sie zum ersten Mal stehenblieb, tieftraurig und naiv zu ihr sagte: „So einen Stillstand tust Du mir jetzt aber nicht dauerhaft an, oder?“