Vor ein paar Tagen habe ich zusammen mit einigen Freunden eine Tatort-Folge gesehen. Ich hatte mich überreden lassen, seit endlosen Zeiten habe ich das nicht mehr gemacht. Ich saß also inmitten der Freunde und war schon bald nicht mehr im Bilde. „Wie viele Kommissare gibt es eigentlich?“ fragte ich. – „Pscht“, sagte jemand, „das wirst Du schon sehen.“ – Ich strengte mich an, anscheinend gab es einen leitenden Kommissar und mehrere weitere Kommissare, darunter auch eine Kommissarin. Sie quartierte sich für mehrere Tage in einem Hotel ein, um dort undercover zu ermitteln.
„Die Frau an der Rezeption ist verdächtig“, murmelte ich, und wieder sagte jemand: „Pscht! Sie gehört zu dem Russen-Club, ist doch klar!“ – „Zu welchem Russen-Club?“ wollte ich fragen, traute mich aber nicht mehr. Immerhin begriff ich, dass ein undurchsichtiger Typ, der im Hotel ebenfalls als Gast einquartiert war, dunkle Geschäfte betrieb. Angeblich war er so reich, dass er daran dachte, Borussia Dortmund aufzukaufen.
„Das ist ja lachhaft“, rief ich, „kein Mensch kauft Borussia Dortmund auf, unmöglich!“ – „Pscht!“ rief jemand, „alles ist möglich!“ – „Nein“, sagte ich, „nicht alles! Borussia Dortmund ist unverkäuflich!“ – „Jetzt halt Dich doch mal zurück“, sagte wieder jemand, und ich verlor langsam die Lust, diesem Tatort weiter zu folgen.
Der extrem reiche Typ erhielt nachts mitten auf einer Dortmunder Straße reichlich Bargeld von finsteren Gestalten, die immerzu verdächtig herumhuschten. Und der vierte Kommissar ging in einen Boxclub, um dort wegen des Russen-Clubs undercover zu ermitteln. Aber gegen wen nun genau?!
Mein Gott, es wurde mir einfach zu viel! Ich begriff überhaupt nicht mehr, was eigentlich los war, welcher Club gegen welchen anderen Club antrat, woher laufend das Geld kam und wer bald sterben sollte. „Wer soll sterben?“ machte ich einen letzten Versuch. – „Mann, der Fighter!“ sagte jemand mitleidig. – „Etwa der junge Kommissar?“ fragte ich nach.
Ich erhielt keine Antwort, anscheinend lag ich komplett daneben. Und so entfernte ich mich auf eine Toilette, wartete einige Minuten, kam wieder zurück und verabschiedete mich leise: „Leute, ich gehe. Ein paar Minuten nicht dabei – und schon ist man draußen …“ – Niemand sagte etwas, alle starrten weiter auf den Bildschirm. „Faber hat alles im Griff“, flüsterte jemand. Und ich dachte nur noch: Was ist mit Faber? Was oder wen genau hat er im Griff??
Draußen sagte ich leise: „Ich ahnte es ja, Tatort ist nichts für mich.“ Es war ein schöner, stiller Herbstabend. Fast neun Millionen Menschen schauten Tatort. Auf den Straßen war es ruhig, keine Spur von Geldwäschern und sonstigen Dunkelmännern. Ich trank noch ein Kölsch auf den FC. „Der ist der unverkäuflichste Club überhaupt“, sagte ich, „noch unverkäuflicher als Borussia Dortmund.“
(Tatort – Tod und Spiele. WDR 2018)