Das Jahr der Terrasse

 Seit April/Mai habe ich fast jeden Tag auf der Terrasse hinter dem Haus verbracht. So etwas gab es in meinem Leben noch nie: Ein halbes Jahr fast ausschließlich im Freien, bereits morgens zum Frühstück, dann während der Arbeit – und weiter, bis in die Nacht. Im Morgendunkel habe ich dort den Sonnenaufgang erlebt, und nachts das Sternenleuchten – es war, als wäre die Terrasse das Zentrum von Natur und Kosmos, akzentuiert von gedämpfter Musik, die aus dem Innern des Hauses kam.

Ohne dass ich es bemerkte, hat mich das Terrassenleben allmählich verwandelt: Wochenlang trug ich dieselben Hemden und kurzen Hosen, ich wurde (schon vom puren Sitzen) hellbraun und sah so gesund aus, als hätte ich im Süden Urlaub gemacht. Ein wenig war es auch so, denn meine Terrasse ähnelte immer mehr einem Strand. Um mich herum die goldgelben, sandigen Farben, die stehende Hitze, der Teich mit seinem erstarrten Blau – daneben die Liegestühle mit ihren Orangetönen und auf den niedrigen Beistelltischen Gläser mit kalten Getränken, Tee und Kaffee.

Ich hätte von meiner Terrasse aus ins Gartenmeer hüpfen können, das schaffte ich nicht, doch den Tieren gelang es spielend. Am Mittag flüchteten die Mäuse aus den Ritzen der Trockenmauern in die kühleren Zonen, und an den Abenden ließen sich die Feuersalamander die Treppenstufen zum letzten Nass hinabfallen, ganz zu schweigen von den Vögeln, die den ganzen Tag über unermüdlich aus den Schatten zu den Wasserstellen flogen, tranken, badeten und mit Früchten im Schnabel zurück flatterten.

Es war ein Leben wie auf einem Landgut in der Nähe des alten Rom, als säße ich, entrückt von der Stadt, abgeschieden und still, in einem sich nicht mehr verändernden Reich, das den Zauberern gehört. Alle Jahrzehnte kommen sie einmal vorbei, lassen sich nieder, zitieren ihre Sprüche und Wechselgesänge und verschwinden wieder in ferne Kontinente, wo Menschen es aushalten nur mit sich selbst und einem weiten Panorama aus naher Natur.