Liebe Freundin, die Tage nach Erscheinen eines neuen Buches sind grässlich. Ich bin hochnervös und unausstehlich, ich mag mich selbst nicht. Schon beim Aufstehen am frühen Morgen (und wie miserabel habe ich geschlafen!) geht es los. Ich trinke einen Schluck Kaffee und frühstücke nicht, ich finde an nichts Gefallen.
Setze ich mich an meinen Schreibtisch, erwarte ich erste Reaktionen auf mein neues Buch, es tut sich aber nichts. Totenstille, selbst der Verlag ist anscheinend abgetaucht und widmet sich längst den Büchern des nächsten Jahres. Was soll ich tun? Ernsthaftes Arbeiten ist unmöglich, nein, daran ist überhaupt nicht zu denken. Sollte ich etwas im Netz herumrecherchieren? Das hasse ich, aber ich lasse mich darauf ein.
Beim Recherchieren stoße ich immerhin auf einen ersten Lichtblick, denn der Deutschlandfunk hat reagiert! Gerade eben hat die Autorin Andrea Gerk im Gespräch mit einem Redakteur des Senders meinen Roman vorgestellt. Man kann den Beitrag sogar im Netz hören, Wort für Wort, sechs Minuten! Ja doch, kann man! Soll ich?!
Natürlich soll ich, ich muss das jetzt hören. Andrea Gerk hat meinen Roman sehr genau und gründlich gelesen, und sie sagt lauter Gutes und Interessantes und Wahres und Schönes über das Buch. Ich telefoniere mit K, Du kennst ihn, und empfehle ihm, das Gespräch im Deutschlandfunk ebenfalls zu hören und mir mitzuteilen, was er von dieser ersten Reaktion hält. „Später“, sagt K, und ich empfinde diese Antwort als eine Beleidigung.
Wem könnte ich denn sonst noch von der herrlichen ERSTEN REAKTION berichten? Für solche Fälle ist Facebook vielleicht doch sehr nützlich – und man kann sagen, was man will: Twitter ist in einem solchen Fall auch nicht schlecht. Ich enthalte mich jedoch aus guten Gründen dieser Nachrichtenmethoden – und dabei soll es auch bleiben. Glücklicherweise meldet mein Verlag aber am Mittag, dass er die herrliche „Erste Reaktion“ des Deutschlandfunks ebenfalls mitbekommen und über Facebook und Twitter verbreitet hat! (Es ist sensationell, was für gute Ideen mein Verlag hat!)
Liebe Freundin, ich will Dich mit dem, was Willy Brandt einmal „Petitessen“ nannte, nicht langweilen. Nur so viel: Trotz der fantastischen „Ersten Reaktion“ des Deutschlandfunks bin ich weiter hochnervös. Ich habe den ganzen Tag nichts Gescheites gegessen – und schließlich Zuflucht an einem der wenigen Orte gesucht, wo ich mich wunderbar ablenken kann: Im Zoo! Mein alter Freund Udo war für mich da und hat mir zugehört und ist eigens für mich einige Runden geschwommen.
Jetzt geht es mir etwas besser, und ich warte auf den morgigen Tag und die weiteren Reaktionen. Wenn alles schiefgeht – darf ich Dich vielleicht besuchen und mit Deiner Einwilligung grässlich und unausstehlich sein?