Mein Winterbild ist von Pieter Bruegel (1525-1569) und heißt Die Jäger im Schnee. Ich habe das Original vor Jahrzehnten im Kunsthistorischen Museum in Wien entdeckt und seither immer wieder angeschaut. (In den Schlusspassagen meines Romans Abschied von den Kriegsteilnehmern (1992) spielt es sogar eine bedeutende Rolle – darauf will ich hier aber nicht eingehen.)
Was mich an dem Bild gleich faszinierte, war, dass es weder eine Geschichte erzählt noch Menschen porträtiert noch eine Landschaft abbildet. Es setzt sich vielmehr aus vielen nebeneinander bestehenden Segmenten zusammen, von denen jede für sich steht und ein Detail der Wintererfahrung berührt.
Eine dunkle Gruppe von Jägern kehrt mit ihren Hunden von der Jagd zurück. Vor einem Wirtshaus wird Feuer gemacht. Auf den zugefrorenen Seen und Gewässern in der Ebene laufen Menschen Schlittschuh. Die Häuser eines kleinen Dorfes sind zugeschneit. In der Ferne ragen große, kaum zugänglich wirkende Felsmassive auf. Vier kahle Bäume ziehen den Blick hinab ins Tal, wo die schmaleren Bäume einer Allee zu einem Kirchlein hinführen. All das sind „die Welten des Winters“, die Pieter Bruegel wie zu einem Panorama miteinander verbindet.
Während meines langen Stehens vor dem Wiener Original habe ich mir manchmal vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn sich manche Details auf dem Bild auch bewegten. Wenn der schwarze Vogel wirklich fliegen, wenn einer der Hunde den nahen Baum umkreisen, wenn aus den Dächern der Häuser Rauch aufsteigen, wenn die Schlittschuhläufer über das Eis gleiten würden!
Der iranische Filmregisseur Abbas Kiarostami (1940-2016) muss ähnliche Gedanken gehabt haben. Auf Arte ist sein wunderbarer Winterfilm 24 frames noch in der Mediathek zu sehen. Er beginnt mit Bruegels Die Jäger im Schnee und …, aber nein, ich sage nichts mehr dazu, sondern überlasse alles Weitere dem scharfen Blick der Leserinnen und Leser dieses Blogs.