(Heute auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S. 4)
Ich bin eingeschneit. Das kleine Gartenhaus steckt unter schweren Mänteln und Krägen von Schnee. Von außen betrachtet, ergibt das ein trügerisch harmloses Bild: Ein Haus wie aus einem Märchen der Brüder Grimm, man möchte sofort anklopfen, mit den Bewohnern eine warme Suppe essen und später zusammen Volkslieder singen.
Von wegen harmlos oder idyllisch: Die Lage ist ernst. Schaue ich frühmorgens aus einem Fenster, blicke ich auf ein sich unaufhörlich ausschneiendes Grau. Schneeflocken in dieser maßlosen Art machen nicht glücklich, sondern Angst. Ich komme zu Fuß gerade noch bis zum Zaun, könnte aber am Mittag selbst das nicht mehr schaffen.
Haben wir überhaupt noch etwas zu essen? Nur noch minimal. Das kommt davon, wenn man keine Lager anlegt und auf Tiefkühltruhen verzichtet. Im Keller liegen aber zum Glück noch Berge von Winteräpfeln, und klares Wasser fließt auch noch aus der Leitung. Ach, es hilft alles nichts: Ich werde ins Tal gehen müssen! Mit dem großen Jägerrucksack und schweren Stiefeln sowie dem hässlichen alten Lodenumhang werde ich dort stumme und bemitleidende Blicke ernten: Wo kommt dieser Verrückte denn her? Aus Sibirien? Aus dem nächsten Laientheater?
Rasch werde ich einkaufen müssen, bevor es ganz zu spät ist und ich den Weg hinauf auf die Höhe nicht mehr schaffe. Das Nötigste nur, ein paar Sachen für die nächsten Tage! Wenn das gelingt, ist ein Zustand komplett, den ich nur zu gut aus anderen Anlässen kenne: Die Klausur! Sich in Klausur zu begeben, bedeutet: Den kleinen Raum des Nachdenkens nicht zu verlassen, keine langen Mahlzeiten, keine Ablenkung!
Draußen könnte es ewig schneien, ich würde mich nicht mehr beeindrucken lassen, sondern lesen, schreiben, Musik hören, bis es nicht mir, sondern dem ewigen Schnee zu viel wird. Enttäuscht wird er aufgeben und sich über die nächsten Höhen in den noch tieferen Süden verziehen. So gesehen, kann ich mich glücklich preisen: Keine Termine, keine Verpflichtungen! Ab und zu ist eine Klausur ein fast idealer Zustand, vor allem jetzt, wo es mit 2019 gerade erst losgeht.