Romanarbeit 1 – Erste Arbeitsphase

Eine Leserin aus Dresden fragt in einer Mail (auf meinen letzten Blogeintrag Bezug nehmend), welche „Arbeitsphasen“ es denn während der Arbeit an einem Roman alles so gebe. Ich will versuchen, sie grob zu unterscheiden und zu charakterisieren.

In der ersten Arbeitsphase konturiert sich der Roman. Meist ausgehend von einer einzelnen Szene, einer Figur oder einem bestimmten Raum entzündet sich so etwas wie ein Faszinosum (darüber habe ich genauer in dem zusammen mit meinem Lektor Klaus Siblewski verfassten Buch Wie Romane entstehen geschrieben). Das Faszinosum ist eine brennende Idee, ein zunächst nur geringfügiges Detail, das andere Ideen und Details anzieht. Möglich ist, dass es seinen Reiz schon bald wieder verliert und nichts Anderes war als ein sich verflüchtigender Einfall ohne Hintergrund.

Ein Hintergrund entsteht dadurch, dass ich dem Einfall folge und nachgehe. Ich beginne zu recherchieren und denke mir weitere Szenen, Figuren oder Räume aus. Allmählich entsteht ein erzählerisches Gerüst und damit Momente eines Geschehens oder einer Handlung.

Wenn das passiert, notiere ich die Einfälle, zunächst in einem Notizbuch, in dem ich sowieso Ideen und Überlegungen festhalte, später aber auch in einem separaten Notizbuch, das nur der Arbeit an einem mich weiter faszinierenden Erzähltext dient. Füllt sich dieses Notizbuch sukzessiv und kontinuierlich, ist das ein positives Zeichen dafür, dass sich das Faszinosum ausweitet. (Die meisten Autorinnen und Autoren haben übrigens nicht die geringste Ahnung, warum sie gerade dieses oder jenes Faszinosum „ereilt“ hat und derart anhaltend beschäftigt…)

Die erste Romanarbeitsphase besteht also im Anschwellen einer Idee oder eines Einfalls, in einer steten Erweiterung, im Sammeln und Recherchieren von Material. Tendieren diese Sammlungen nach einiger Zeit zu ersten Erzähleinheiten (einem möglichen Anfang, kleinen Szenen, Dialogen), wird deutlich, dass sich der Roman allmählich emanzipiert. Er ist dabei, aus sich heraus ein eigener Körper zu werden.

Nach meiner Erfahrung ziehen sich erste Arbeitsphasen oft über Jahre hin.