In den kommenden zwölf Monaten verfolge ich das Jahr auch anhand des Japanischen Taschenkalenders für das Jahr 2019. In dieser Woche wartet er mit einem Haiku des Dichters Tan Taigi (1709-1771) auf: In Winterdürre – /Spatzen laufen emsig durch/die Regenrinne. Oder, auf Japanisch: fuyugare ya/suzume no ariku/toi non aka.
Der Übersetzer und Japanologe Ekkehard May erläutert mir, dass fuyugare im Japanischen die Winterdürre bezeichnet – und zwar einerseits sehr konkret (die Bäume und Sträucher sind entlaubt und trocken) und andererseits die Winterlandschaft, die alles Leben verloren hat. Dagegen treten die sich emsig bewegenden Spatzen an. Ihre Bewegungen lassen aufhorchen und hinterlassen in der Regenrinne ein leises, anhaltendes Rascheln.
Heute, gegen Mittag, hörte ich in der Klausur meines kleinen Gartenhauses etwas ganz Ähnliches: Das trockene Laub in der Regenrinne wurde sondiert und anscheinend durchforstet. Ich öffnete langsam die Tür, blickte nach oben und sah eine Kohlmeise, die mich nicht weiter beachtete. Zu sehr war sie in ihre Sondierungsmaßnahmen vertieft. Ich schaute weiter, bis die trockenen Blätter aus der Rinne auf mich herabregneten, und ich dachte: Das ist ein Stoff für die japanischen Meister! Wer von ihnen hat darüber ein Haiku gedichtet?
Zumindest einen Versuch war es wert: In Winterdürre -/eine Meise besprengt mich mit Laub/aus der Kelter der Regenrinne. (Han-Sjo-Sef, spätes siebzehntes Jahrhundert?)