Der Suter-Komplex – eine Auswertung

Liebe Leserinnen und Leser, die schweren Stürme sind verrauscht, ich erkenne meinen Garten wieder. Heute habe ich noch einmal alle bisher eingegangenen Rückmeldungen hintereinander gelesen. Es sind jetzt über zweihundertfünfzig, die wahrhaftig einen gewaltigen Chor bilden.

Sein unüberhörbares, von ca. 99 Prozent aller Antworten auf meine Fragen geteiltes Leitmotiv ist: „Nichts/gar nichts/auf keinen Fall etwas am Blog ändern!“

Der Hintergrund dieses Leitmotivs sind die Ein- und Wertschätzungen, die dem Blog entgegengebracht werden. Er gilt nicht nur als informativ, abwechslungsreich und originell, sondern auch als sehr „persönlich“ und „authentisch“. Viele empfinden ihn als ein „offenes Gespräch“ mit den Leserinnen und Lesern und daher als Teil eines „Austauschs“ von Einsichten, Erfahrungen und Hinweisen.

Von diesen Bewertungen her ergibt sich geradezu zwangsläufig die Ablehnung einer Bezahlung. Sie würde den Charakter des Blogs elementar verändern, hin zu einem kommerziellen, bestimmten Regeln der Warenpräsentation gehorchenden Angebot. Außerdem würden solche Veränderungen jene Leserschichten ausschließen, die sich eine Bezahlung nicht leisten können oder wollen. Was nicht nur schade, sondern auch „fies“ wäre.

Ca. 80 Prozent der Rückmeldungen warnen mich vor Twitter und Instagram. „Bloß die Finger davon lassen! Bloß kein Trump-Niveau! Bloß nichts hurtig Hinausposauntes!“ Auch die Befürworter dieser Medien sind jedoch der Meinung, Einträge in diesen Medien auf keinen Fall als einen Ersatz des Blogs, wohl aber als seine Ergänzung zu verstehen. „Sie könnten vor allem junge Leser dadurch erreichen –  und zwar dann, wenn Sie Ihre Meldungen auf eine solche Zielgruppe (Tipps jeder Art) abstimmen!“

Fast alle Befürworter warnen gleichzeitig vor „täglichen Nachrichten“: „Das kostet Sie zu viel Zeit!“ Und fast alle legen mir nahe, auch auf unfreundliche Reaktionen gefasst zu sein („Legen Sie sich ein dickes Fell zu!“)

Soweit die Auswertung… – die mir in selten deutlicher Form klargemacht hat, wie sehr der Blog in der jetzigen Gestalt seine Aufgabe erfüllt: Den Kontakt mit meinen Leserinnen und Lesern auf nicht oberflächliche, sondern intensive Weise in der Form eines „offenen Austauschs“ über Themen und Motive meines Lebens/meiner Arbeit/unserer Gegenwart zu suchen. Diese Erfahrung lässt mich durchatmen: Natürlich wird es mit dem Blog so weitergehen wie bisher, solange ich bei jedem Eintrag selbst etwas von jener Freude empfinde, die er während der Lektüre bei den Leserinnen und Lesern auszulösen scheint.

Was Twitter und Instagram betrifft, so besteht der Grund meines (eventuellen) Interesses nicht darin, mich bekannter/berühmter/doller oder proller etc. zu machen. Nein, es geht um etwas ganz Anderes. Seit ich als Kind in der „Obhut“ meines Vaters (ich habe das in „Der Stift und das Papier“ beschrieben) Schritt für Schritt schreiben gelernt habe, habe ich eine große Freude an allen neuen Medien. So habe ich bereits als Kind kleine Gedichte, kurze Hörspiele, Reportagen über das Leben im Dorf, Charakterstudien anderer Menschen etcetc. geschrieben.

Auch später habe ich mich immer wieder (zumindest zeitweise) an neuen Gattungen versucht. Ich habe Drehbücher, Dramen, Hörspiele, ja sogar Opernlibretti geschrieben – und hinterher oft festgestellt, dass viele dieser „Experimente“ in meinen Augen gescheitert waren. Darauf kam es jedoch nicht an, wichtiger waren die Erfahrungen, die ich bei der Arbeit mit diesen für mich jeweils neuen Medien sammelte.

Genau so geht es mir momentan mit Twitter und Instagram. Diese Medien reizen mich, mit ihnen zu arbeiten – und das auf eine Weise, die mir selbst (und nicht den Forderungen der „User“) entspricht. Vom Ansatz und vom Gestus her habe ich sogar längst typische Twitter- und Instagram-Meldungen in meinen Blog eingeschleust.

In einem Eintrag vom 19.02.2019 melde ich kurz, dass mein Roman „Der Typ ist da“ als Taschenbuch erschienen ist. Das wäre normalerweise eine Twitter-Meldung. Und in einem Eintrag vom 08.02.2019 sitze ich (in selbstironischer Absicht) mitten in Venedig auf einem Säulenstumpf und notiere, was mir beim Anblick venezianischer Wäsche an uralten venezianischen Hausfassaden auffällt (nämlich, dass ich in der Tradition von John Ruskin unterwegs bin). Das nun wiederum wäre normalerweise eine Instagram-Meldung (der Autor ist selbst auf dem Foto und zeigt einen Weltausschnitt seiner Umgebung).

Momentan habe ich eine große Lust, das Schreiben in vielen Richtungen zu erweitern. Am liebsten würde ich selbst einen Film drehen, am liebsten würde ich mich an Langgedichten versuchen, am liebsten würde ich großformatige Collagen mit Bildmaterial zu einem bestimmten Tagesverlauf entwerfen usw. Dazu gehört die (bisher im Zaum gehaltene) Lust an Twitter und Instagram. Wäre es nicht einen Versuch wert, diesen Medien eine „eigene Sprache“ abzugewinnen? Die Sprache eines Mikroromans in vielen Fortsetzungen (Twitter)? Die Sprache eines Fotoromans in ebenso vielen Fortsetzungen (Instagram)? Natürlich geht so etwas nicht mit „täglichen Meldungen“, wohl aber mit persönlichen Nachrichten, die ich immer dann versenden würde, wenn es mich „juckt“/mir etwas „zustößt“/ich eine bestimmte „Musik spüre“.

Sie verstehen, liebe Leserinnen und Leser. Ich bin nicht öffentlichkeitsgeil, sondern ich freue mich auf Neues, Anderes, Weiteres, mehr nicht.

Vorläufig weiß ich aber genau, dass ich momentan nicht die Zeit für die neuen Medien habe. Ich lebe noch immer in Klausur, und der neue Roman, der im Herbst erscheinen wird, wächst und wächst. Er hat den Arbeitstitel „Der von den Löwen träumte“. Im Ernst.

Summa: Ich mache weiter mit meinen Blogeinträgen, so wie bisher. Natürlich verlange ich dafür kein Geld. Weiter nachdenken werde ich darüber, ob ich dann und wann „twittern“ oder „instagramen“ sollte. Speziell auch für junge Leser. Erzählend. In Romanform. Und nachdenken werde ich auch darüber, ob ich wirklich ein „dickes Fell“ besitze, um in den sozialen Medien eventuelle Ablehnung lächelnd hinzunehmen (ich glaube nicht).

Soweit. Nun bleibt mir nichts, als mich bei Ihnen ganz herzlich zu bedanken. Ich habe mich sehr über die vielen Reaktionen gefreut. Alle habe ich mehrmals und oft sehr berührt gelesen: Meine Herren – wer bin ich? Sie haben mir sehr geholfen und mir das Gefühl vermittelt, in einer großen Gemeinschaft gemeinsamer Erfahrungen und Themen zu leben. Was könnte es Schöneres geben?

Bitte sehen Sie mir nach, wenn ich nicht einzeln antworte. Sie wissen ja: Ich muss schreiben, schreiben, schreiben, es wird nie aufhören, ich versprech´s. Und jetzt geht es weiter, in der Gesellschaft dessen, der von den Löwen träumte…