Wie nähert man sich den enormen kreativen Potenzen von Karl Lagerfeld? Berichtet man über sie? Lässt man andere davon erzählen? Der französische Regisseur Loïc Prigent hatte eine fabelhafte Idee: Er besuchte Lagerfeld in seinem Studio und drehte ausschließlich an seinem Schreibtisch. Nirgendwo hält sich der Meister lieber auf, und nirgendwo kann man ihn besser dabei beobachten, wie er Ideen entwickelt.
Und wie macht man das? Ganz einfach, man lässt ihn nach einem Zeichenblock (Hochformat) greifen. Und dann gibt man kurze Stichworte vor – und bittet ihn, gleichzeitig zeichnend und erzählend zu antworten: Wie sehen Sie aus, wenn Sie frühmorgens aufstehen? … – und schon geht es los. Der Stift fliegt über das Papier, zeichnet die Haare, die Frisur, die Kleidung, während der lockere, elegante Ton des Sprechens und Redens jedem gezeichneten Detail zu Hilfe eilt.
Diese Konstellation ist eine klassische, gelungene „kreative Verortung“: Man redet und salbadert nicht „über“ Kreativität, sondern zeigt sie in den Momenten ihres Entstehens. Sie sind eng verbunden mit dem „kreativen Raum“, auf den sie angewiesen sind und an dem sie ausschließlich hervorgebracht werden. Im Falle Lagerfelds ist es der mit Zeichenmaterial und Stiften aller Art überfüllte Tisch und ein Zeichenblock im Hochformat, der eine Skizze nach der andern hervorlockt.
Während die eilige, sichere Hand Blatt für Blatt entwirft, fixiert das fortlaufende Erzählen die Bewusstwerdung der Details im Kopf des Zeichners: Die Geste des Zeichnens wird ornamentiert durch die Gesten des Sprechens.
Loïc Prigent arbeitet in seiner Dokumentation Lebens-Skizzen (jetzt über Youtube abrufbar) ausschließlich mit diesem Ausschnitt: Dem Schreibtisch, den Materialien, der impulsiven Gestik. Keine Fotos, keine ablenkenden Interviews mit „Zeitgenossen“ – und vor allem: Keinerlei Kommentar! Die Sache selbst – verortete Kreativität – wird gezeigt – und genau diese Methode macht den Film von Prigent selbst wieder genial.