Lang Lang – der Leidensgenosse

Vor zwei Jahren hat den chinesischen Pianisten Lang Lang jenes Schicksal ereilt, das auch mir selbst einmal übel mitgespielt hat. Während er Maurice Ravels Klavierkonzert in D-Dur für die linke Hand übte, spürte er von einem Moment auf den anderen einen starken Schmerz im Arm. Die ärztliche Diagnose lautete: Sehnenentzündung. Lang Lang sagte alle anstehenden Konzerte ab und folgte den Empfehlungen: Kein Klavierspiel mit der linken Hand, keine starken körperlichen Aktionen, stattdessen viel Ruhe, Spaziergänge und absolute Schonung.

Noch ist er nicht fähig, die großen Klavierkonzerte früherer Tage (Brahms, Tschaikowsky, Rachmaninoff) wieder zu spielen. Notgedrungen hat er sich nach einfacheren Partien umgeschaut und ist bis zu seinen Lehrjahren zurückgegangen, um aus den Übungsstücken seiner Jugend neue Kraft zu beziehen. Einige hat er auf einer CD (Piano Book) eingespielt, die gerade erschienen ist (Deutsche Grammophon).

Die Rückkehr zu den Etüden und Anfängerstücken von Kindheit und Jugend – dieses regenerierende Üben gleicht auf verblüffende Weise genau der Methode, die auch ich mir früher einmal verordnet habe, um wieder etwas „Land zu sehen“. Seit neustem kann ich Lang Lang daher als einen „Leidensgenossen“ verstehen.

(Über meine Jahrzehnte am Klavier bald mehr in dem Buch: Wie ich Klavierspielen lernte. Roman meiner Lehrjahre. Es erscheint am 13. Mai 2019 im Insel-Verlag.)