Die „Saga“ von Heidenheim

Heidenheim an der Brenz liegt im östlichen Baden-Württemberg und hat etwa 50 000 Einwohner. Zehntausend Fans (und damit ein Fünftel der Bevölkerung) sind gestern nach München gefahren, um dort zu erleben, wie der 1. FC Heidenheim (seit einigen Jahren in der 2. Bundesliga) gegen die Mannschaft von Bayern München im DFB-Pokal bestehen würde.

Fußballspiele geraten schnell in Vergessenheit, dieses jedoch nicht. Die 1:0-Führung der Münchener ließ den neutralen Betrachter noch nichts Besonderes ahnen, denn genau diese Führung war zu erwarten gewesen. Dann aber glichen die Heidenheimer aus und erhöhten auf 1:2 (so auch der Halbzeitstand).

In der Kabine der Bayern soll es laut hergegangen sein, die Wirkung der Kopfwäsche durch Trainer Kovač war in der zweiten Halbzeit rasch zu erkennen: Drei Bayern-Tore in Folge, 4:2-Führung, scheinbar wieder alles im Lot. Dann aber holten die Heidenheimer erneut auf: 4:4.

Trainer Frank Schmidt, seit über zehn Jahren Trainer der Elf, für die er bereits in seinen Spielerjahren zum Einsatz gekommen war, erlebte darauf sogar den Moment, der den Sieg bedeutet hätte. Die hundertprozentige Torchance wurde jedoch kurz vor Schluss vergeben, und ein überflüssiges Handspiel führte zu einem Handelfmeter, der das 5:4 für den Favoriten aus München bedeutete.

Fußballspiele, die lange „präsent“ bleiben (und die man deshalb „historisch“ nennen könnte), erhalten diesen besonderen Ruf oft auf Grund von spektakulären Einzelaktionen bestimmter Akteure. Dieses Spiel jedoch überraschte und bestach durch seine Torfolgen: Jede Mannschaft erzielte mehrere Treffer in rascher Reihung, die den Spielverlauf umkehrten und den hohen Außenseiter aus einer überschaubaren Ortschaft als gleichrangigen Gegner auswiesen.

Unzählige Spiele erlebt der treue Fan, ohne dass ihm ein einziges in Erinnerung bliebe. Dann aber ereignet es sich plötzlich: Das „Spiel des Lebens“, das die lange Treue belohnt und den Fan jenen einzigartigen neunzig Minuten aussetzt, von denen er lange träumen und die er immer von neuem (in Bildern, Geschichten und geformt zu einer großen „Saga“) durchleben wird.

Genau daraus besteht „Geschichte“: Aus Lebensszenen, die sich nie mehr verflüchtigen und die Teilnehmenden in Erzähler verwandeln, die noch Jahre später von jeder Minute berichten können.