Mein erster Roman (Fermer) ist vor genau vierzig Jahren im S. Fischer-Verlag erschienen. Etwa zwei Jahre hatte ich nach meinem Studium an ihm gearbeitet. Der Titel ist gleichzeitig auch der Name der Hauptfigur, den ich einer Erzählung von Ludwig Tieck entlehnt hatte. „Fermer“ wirkte fremd, erinnerte an das französische „fermer“ sowie den deutschen „Werther“ und löste außerdem das Problem, eine Hauptfigur mit Vor- und Nachnamen ausstatten zu müssen.
Die Dramaturgie dieses Romans orientiert sich am Reiseroman. Fermer beginnt seinen „Ausstieg“ aus gesellschaftlichen Zwängen etwa im Alter von zwanzig Jahren. Er desertiert vom Militär und begibt sich auf eine spontane, emotionalen Impulsen folgende Reise durch halb Deutschland. Sie beginnt (ohne dass es dem Leser deutlich gesagt wird) am Rhein, durchquert den Rheingau, steuert den Westerwald an, führt nach Niedersachsen und Hamburg und endet an der deutsch-dänischen Grenze (in der Nähe von Seebüll).
Während dieses Streunens durch deutsche Landschaften wird es wärmer, vom Vorfrühling bis zum Spätsommer verläuft die Tour, während der Fermer die Bekanntschaft von vielen Gleichaltrigen (und wenigen älteren Menschen) macht. Der Umgang mit ihnen ist locker, nirgends entsteht ein Gruppenbewusstsein, die Figuren dieses Romans verstehen sich vor allem dann, wenn sie bestimmte Gefühle und Stimmungen teilen.
War das alles, veröffentlicht im Frühjahr 1979, nicht „mordsromantisch“? Ja, war es. Und ging manchen Kritikern nicht deswegen der Hut hoch? Und ob! Und setzte mir das zu? Keine Spur. „Mordsromantisch“, das Entlegene und Ferne suchend – so sollte es sein.
Biographisch gesehen, reagierte ich auf das Leben, das ich in den frühen siebziger Jahren geführt hatte. Nach dem unerwarteten Ende meiner jahrzehntelangen pianistischen Laufbahn war ich vor allem eins: hilflos, ohne Orientierung, jahrelang unterwegs. Nirgends hatte ich einen Halt gefunden, und nur um mich wenigstens etwas zu beruhigen, hatte ich nebenher (konfus und zerstreut) dies und das studiert.
„Fermer“ umkreiste die Abenteuer des Alleinseins, versteckt, andeutungsreich und tranceartig. Ich hatte wie in einem nicht enden wollenden Traum gelebt – und genau so erzählte ich auch: ohne reale Namen zu nennen, ohne den Traum aufzulösen, mit der Musik meines Lieblingskomponisten Robert Schumann im Kopf.