Neulich in einem Lunchkonzert in der Berliner Philharmonie. Sie öffnet gegen 12 Uhr, eine Stunde lang strömen Menschenscharen aller Lebensalter hinein. Sie kommen mal eben vorbei, um etwa fünfzig Minuten an einem mittäglichen Konzert teilzunehmen, und sie halten sich dazu nicht in einem der Konzertsäle auf, sondern im Hauptfoyer.
Für Personen mit Schwerbehindertenausweis ist eine bestimmte Sektion von Plätzen abgesperrt, die anderen Zuhörer verteilen sich im Raum, wo auch immer sie gerade einen Steh- oder Sitzplatz finden. Viele setzen sich auf den Boden oder die Treppen, andere steigen hinauf zum Umgang, wo man nur entlang der Geländer einen Blick auf das kleine Podium werfen kann.
Gegen 13 Uhr erscheinen auf ihm die beiden Solisten, eine Pianistin und ein Violinist. Sie spielen eine Violinsonate von Mozart und eine von Beethoven, und sie schließen mit der Tzigane von Ravel. Zwischen den einzelnen Sätzen wird dankbar und begeistert geklatscht, und obwohl das Publikum überall verstreut sitzt, liegt, krabbelt (wie etwa die Kleinsten), wirkt diese wunderbare Mittagssession hoch konzentriert, heiter, ja, wie ein locker komponiertes Zusammentreffen und Fest.
Wer will, kann sogar (oben auf dem Umgang) auf und ab gehen, und wer durch eines der Fenster beobachten will, wie sich die Musik von drinnen in der Umgebung draußen verteilt, kann auch das tun: Erstaunlich, wie gelöst und passioniert die Bauarbeiter in den nahen Anlagen erscheinen, wenn dazu gerade Musik von Mozart erklingt!
Ich war von dieser schönen Stunde begeistert – während mir wieder die „Methoden“ und Überlegungen von Marina Abramović einfielen, mit deren Hilfe sie versucht hatte, ein großes Publikum für ein Konzert (in der Frankfurter Alten Oper, siehe meine Einträge vom 21. und 26. März 2019) zu konditionieren.
Das Lunchkonzert in der Berliner Philharmonie zeigte mir, wie es einfacher, besser und umstandsloser geht: Man öffne vielen Menschen einen großen Raum und lasse sie machen …, man greife nicht ein, sondern vertraue ihrer Konzentration und ihrem spontanen Geschick …, und man teile mit ihnen die gespannte Begeisterung beim Anhören von Musik, die sich wie hergezaubert in den Räumen verteilt.
Ich bekam richtig Lust, auch einmal solche ausgefallenen Konzerte zu organisieren, und ich machte die ersten Pläne …