(Heute auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S.4)
In den letzten Wochen habe ich meinem Freund Peter bei seinem Umzug geholfen, schon seit einem halben Jahr hat er die Aktion vorbereitet. Zunächst legte er Listen mit älteren, aussortierten Möbeln, Kleidungsstücken, Küchengeräten und Büchern an und stellte sie ins Netz. Das meiste davon verkaufte er, einiges verschenkte er auch. Der Umzug erwies sich dadurch als ein grundsätzlicher gedachtes Vorhaben. Peter wollte nicht nur von einer Wohnung in eine andere wechseln, sondern er plante den bewusst vollzogenen Beginn eines neuen Lebensabschnitts, dessen Ausrichtung und Charakter die veränderten Räumlichkeiten spiegeln sollten.
Peter hatte eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit kleiner Küche und Bad in der Nähe seines Arbeitsplatzes in einem belebten Viertel der Stadt gefunden. Er wollte nicht mehr wie in den letzten Jahren der Ausbildungszeit abgeschottet und relativ isoliert leben, sondern „unter Menschen wohnen“. Daher stellte er ausführliche Erkundigungen über die nachbarliche Umgebung an. Welche Geschäfte, Kneipen und Treffpunkte gab es dort, wo würde er rasch Anschluss und Kontakte finden? Bisher hatte er seine Wohnung als eine Art Höhle betrachtet, in der er seine Studien und Passionen betrieben, anderen aber fast keinen Zugang gewährt hatte. Entsprechend dunkel und farblos hatte es in ihr ausgesehen. Die neue Wohnung soll ganz anders werden: hell, farbig, offen für Gäste, mit denen zusammen er in seiner Küche kochen und essen will.
Seinen Wagen hat Peter verkauft, denn zum Arbeitsplatz kann er nun mit dem Fahrrad fahren. Das Frühstück davor isst er nicht mehr eilig zu Hause, sondern in einer Bäckerei mit Stehausschank. Bei seinem dritten Besuch wurde er schon erkannt und geriet mit den Verkäuferinnen rasch ins Gespräch. So wie dort ist es auch an anderen Orten: Mehrmaliger Besuch führt zu Bekanntschaften und Unterhaltungen über alles, was in der Umgebung „so läuft“.
Peter wohnt seit neustem daher nicht mehr in einer „Höhle“, sondern eher in einem „Nest“. Es soll luftig, reich an Atmosphären und leicht zugänglich sein. Nach zwei bis drei Jahren könnte vielleicht schon ein weiterer Umzug anstehen, mit einem wiederum ganz anders gearteten Programm. So, sagt Peter, verstehe er nämlich „das neue Wohnen“: als zeitlich begrenztes, auf eine Umgebung bezogenes Lebensprojekt.