(Heute auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S.4)
Diesmal sehen unsere italienischen Ferien anders aus als früher. Seit wir tausend Euro zahlen müssen, wenn wir unsere Campingkocher auf der Rialto-Brücke in Venedig aufbauen, sind wir auf der Hut. Als Römer verkleidet dürfen wir auch nicht mehr durch die Ewige Stadt laufen, geschweige denn, dass es erlaubt wäre, unser abendliches Bad im Trevi-Brunnen zu nehmen.
Überall lauern plötzlich Verbote und Gesetze, und die Auftritte der deutschen Kapitänin im Süden des Landes haben alles nur noch verschärft. Wir sprechen unser geliebtes Deutsch viel leiser als früher und geben unsere Bestellungen anhand eines Pocket Translators auf, der immer eine astrein richtige Aussprache hat. Bei offiziellen Führungen in Museen und Galerien mischen wir uns unauffällig unter die niederländischen oder britischen Touristen, deren Landesfarben wir auf unseren T-Shirts tragen.
Shorts in so heiligen Hallen wie denen von Harry’s Bar in Venedig sind verboten, wir wissen es jetzt, auch wenn Stammgast Hemingway dort in Shorts und Sandalen erschien. Hemingway durfte alles, denn er bestellte zu jeder Tageszeit die richtigen Drinks, während wir lange nicht gerafft hatten, dass man in Italien keinen Cappuccino nach einer Mahlzeit trinkt. Cappuccino! Nach dem Dessert! Würden wir das heutzutage bestellen, würden wir aus dem Ristorante verwiesen, oder man würde uns die milchige Brühe wie aus Versehen über unsere käseweißen Zehen kippen.
Bestellen wir einen Aperol Spritz (grundsätzlich übrigens eine einfallslose Idee), sollten wir wissen, welche Bestandteile wir wünschen: Prosecco? Wein? Wie viele Anteile Mineralwasser? Geschüttelt oder gerührt? Auf solche Nachfragen müssen wir gefasst sein und einkalkulieren, dass ein „Ich verstehe kein Wort“ („Non capito, ähm, niente…“) uns aus dem Kreis der zivilisierten Menschheit ausschließt.
Unauffällig zu sein, ist die neue Devise. Und so gewöhnen wir uns allerhand ab, wie zum Beispiel allzu langes Schwimmen im Meer. Der Italiener schwimmt nämlich dort nicht, sondern nimmt nur ein Bad, und ein solches reicht höchstens hinauf bis zu den Knien. Mobil telefonieren sollten wir auch nur im Notfall, jedes etwas lautere Wort verrät uns und lässt uns die abweisenden Blicke der Einheimischen spüren. „Tourist go home!“ steht derzeit an fast jeder venezianischen Mauer. Wir haben verstanden und lassen unsere Strohhüte zu Hause, und wenn wir vor dem Markusdom ein Selfie schießen, knien wir vor den Tauben nieder und flüstern: „Un piccolo momento, ähm, per favore …“