Seven Days Walking 4

Am vierten Tag unserer siebentägigen Wanderung anhand neuer Sommerlektüren (begleitet von Musik und Bildern) folgen wir Rebecca Solnit auf den Wegen ihres breit angelegten kulturhistorischen Panoramas des Gehens (Wanderlust. Eine Geschichte des Gehens. Aus dem Englischen von Daniel Fastner. Matthes & Seitz 2019).

Alles beginnt bereits in der Antike mit den „Fußgängerarchitekturen“ philosophischer Wege , die das Gehen inspirierten und formten. In der Moderne des achtzehnten Jahrhunderts begegnen wir Jean-Jacques Rousseau während seiner Träumereien eines einfachen Schweifenden und lernen durch ihn den empfindsamen Spaziergänger mit wachem Augenmerk für die Umgebung kennen. Und in der Spätmoderne des zwanzigsten Jahrhunderts lernen wir, dass ein Philosoph wie Edmund Husserl das Gehen als jene Daseinsform entwirft, die uns erst zur „außerleiblichen Umwelt“ in Beziehung setzt.

Rebecca Solnit konzentriert sich auf die konkreten Berichte und die Theorien der Gehenden. Sie skizziert also „Figuren des Gehens“, die der gängigen Wanderung, Tour oder Reise individuelle Formen des Sehens und Wahrnehmens abgewinnen. Die Bewegungen führen vom behüteten Haus in die „freie Umgebung“ und von diesen Umgebungen weiter zum „Leben auf den Strassen“. Am Ende dieser belebten Wege (von San Francisco, New York, London oder Paris) geraten wir in die gefährlichen Vorstadtzonen und ziehen uns, irritiert und abgeschreckt, auf Laufbänder zurück, wo wir die unermüdliche, heftige Bewegung wieder im Raum des Hauses imitieren.

Rebecca Solnit hat Freude am Deuten und am Nachvollzug extremer Erlebnisse. Nebenbei erzählt sie von ihren eigenen Bewegungsexperimenten an bestimmten Orten und in den Städten ihres Lebens. So verleitet das Buch dazu, sich über das Gehen und Fortbewegen nicht nur Gedanken zu machen, sondern laufend selbst neue Formen der konkreten Weltaneignung durch den eigenen Körper auszuprobieren.