In den Seminaren von Roland Barthes (Mythen des Alltags) war die Entzifferung von Werbung oft ein Sport. Widmen wir uns also diesem Plakat, einem Fundstück auf einem beliebigen Bahnhof:
Sie fährt das schwerste und bekannteste Motorrad, eine (unverschämt) neue und glänzende Harley-Davidson, auf der sie niemanden zum Mitfahren einladen wird. Den Ebenen ist sie weit entrückt, wir befinden uns in den Bergen, dort, wo die Straßen nicht mehr asphaltiert sind. Sie legt eine Pause ein und strahlt gelassen mit einem Glücksblick hinauf zum Himmel. Die Haare offen, den Helm längst abgelegt. Sie trägt fingerlose Lederhandschuhe (wahrscheinlich aus Lammfell) und eine Lederjacke, die perfekt sitzt, sie aber nicht einengt (deshalb oben offen). Die erdbezogenen Stiefeletten sind gekonnt staubig. Das einzige Manko: Die klotzig wirkende Ledertasche mit den Utensilien für Tag und Nacht (gehört zu einem ganz anderen Lifestyle). Gerade öffnet sie eine Wasserflasche und gibt vor dem Schluck zu erkennen: Ich bin genau da, wo ich sein wollte. Allein, entrückt, dem Himmel nahe, auf niemanden angewiesen, mit nichts Weiterem beschäftigt als dem Genuss dieses Augenblicks.
Völlig überflüssig und dümmlich daher der Textkommentar: „Unabhängig ist einfach …“ (Ein gutes Bildarrangement spricht für sich selbst …)