Tiepolo

Gestern in einer Ausstellung mit Bildern von Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770), dem unverwechselbar venezianischen Maler. Ich liebe besonders seine Deckengemälde, deren größter Meister er war. Um sie angemessen zu betrachten, müsste man sich auf den Boden legen und das Schweben der offenen Himmel mit einem Fernglas studieren. Wo befinden sich eigentlich die Figuren? Angesaugt von der Fliehkraft eines fernen Blaus heben sie von ihren Bastionen zwischen Erde und Himmel ab. Einige kauern, lagern und genießen die Nachdenklichkeit, andere triumphieren, spielen ein Instrument, zeichnen, agieren. Die meisten erscheinen in kleinen Gruppen und sind der irdischen Fragen enthoben. Ihr Lebensstoff ist das Transzendieren, das Hinübergleiten von der Erdschwere der alten Themen hin zur Leichtigkeit des Jenseitigen. So umspielen sie Formen des Traums. Nicht mehr greifbar, aber auch noch nicht entschwunden, sind sie musikalische Wesen, lyrischen Klangwelten ausgesetzt, von deren Substanzen nur die größten Dichter etwas geahnt haben.