Gestern, gegen 11 Uhr, auf einem größeren Wochenmarkt. Ich erhalte eine Mail, in der ein Freund mir ein Video schickt. Es zeigt die Pianistin Khatja Buniatishvili, die den dritten Satz von Beethovens erstem Klavierkonzert (opus 15) spielt. „Das musst Du sofort sehen und hören“, lese ich, „es ist fantastisch!!“
Mitten im Einkauf halte ich inne und sehe und höre: Das noch nie so gehörte enorme Tempo, die Verve, mit der das erste Thema vom Klavier in die Runde geschmissen wird, die noch nie so gehörten überraschenden heftigen Betonungen von Einsätzen des Klaviers, wie das Solinstrument von Anfang an alles an sich reißt und nicht nur das Tempo, sondern auch die Akzentsprachen diktiert (das Orchester kommt kaum noch hinterher – und der Dirigent erst recht nicht…), die raffinierte Frechheit, mit der das zweite Thema einen noch heftigeren Klangcharakter (überschäumender Tanz, Wirbel, Drehungen um sich selbst) intoniert, die unglaubliche Coda: Das sehr kurze Spiel mit dem „stillen Moment“, den die Rückkehr zum ersten Thema beendet…
Meine Herren!! Ich höre und sehe, dass neben mir Menschen stehenbleiben und ebenfalls lauschen. Und ich höre weiter und sehe, dass Menschen auf mein Handy schauen, um mitzubekommen, was ich höre und sehe. Und ich bemerke, dass die Menschentraube immer größer wird und Beethoven persönlich anwesend ist und mit uns tanzt und jubelt und nach dem Schlussakkord lächelt und sagt: „Nicht schlecht, oder?! Bei der Uraufführung habe ich selbst das Klavier gespielt!“ Worauf ein junger Passant keck erwidert: „Na, so gut wie eben gerade werden Sie es nicht hinbekommen haben, da wette ich!“