Aus gegebenem festlichen Anlass hatten mich zwei Freunde in ein Sterne-Restaurant eingeladen. Unser Menu begann mit einem Aperitif, den wir in sehr kleinen Schlucken tranken, bis der erste Gang serviert wurde. „Sie schauen auf das Carpaccio einer Gelbschwanzmakrele, mariniert von einer Miso-Marinade, gekrönt von winzigen Avocado- und Wildblütenexpertisen! Guten Appetit“, sagte die erste Bedienung.
„Was hat sie gesagt?“ fragte Hugo, mein Freund. – „Es handelt sich um ein Makrelencarpaccio, eingelegt in eine Marinade“, antwortete mein Freund Friedrich. – „Aha!“ sagte Hugo, „na denn!“
Wir beugten uns mit Stielaugen über den bunt leuchtenden Tellerrand und ließen die Augen schweifen: Wo befand sich der Gelbschwanz und wo lauerten die Expertisen? Wir schwiegen und zupften die Blütenblätter mit einer winzigen Gabel vom eingelegten Carpaccio. „Hat sie nicht etwas von einer Expertise gesagt?“ fragte Hugo. – „Na klar“, antwortete Friedrich, „am Ende sollst Du eine Expertise ausstellen, ganz einfach.“
Wir benötigten für das extrem anmutige Carpaccio fast eine Viertelstunde. „Ich sehe, es mundet Ihnen“, sagte unsere Bedienung. – „Fantastisch“, sagte Friedrich, „ich mache mir gleich Notizen für die Expertise.“ – „Soll ich Ihnen Papier und Bleistift bringen?“ fragte die Bedienung. – „Ich bitte darum“, lächelte Friedrich.
Ein Glas Pinot Blanc aus dem Elsass wurde serviert. „Ein Glas Pinot Blanc aus dem Elsass!“ sagte unsere Bedienung, „zur Überbrückung bis zum nächsten Gang!“ – „Mmm“, sagte Hugo und kostete den Wein, „ein Glas Pinot Blanc aus dem Elsass, das kann ich mir merken.“
Nach zehn Minuten Überbrückung servierte eine zweite Bedienung den zweiten Gang: „Das ist wilder, isländischer Kabeljau auf einer Kräutercremesauce“, flüsterte sie. – „Welche Kräuter genau?“ antwortete Friedrich. – „Da muss ich in der Küche nachfragen“, entzog sich die zweite Bedienung. – „Tun Sie das bitte!“ sagte Friedrich. – „Nun geh ihr doch nicht auf die Nerven!“ murmelte Hugo. – „Genau“, sagte ich, „geh ihr bitte nicht auf die Nerven!“ – „Entweder schreibe ich eine Expertise oder nicht“, sagte Friedrich, „und wenn ja, erwähne ich jedes Kraut einzeln, das kann ich Euch schwören!“
„Der Wein ist alle“, sagte Hugo. – „Frollein“, rief Friedrich die zweite Bedienung, „bitte für jeden von uns Dreien noch ein weiteres Glas von diesem exzellenten Riesling aus dem Elsass!“ – „Es handelt sich um einen Pinot Blanc“, sagte die zweite Bedienung. – „Entschuldigung“, sagte Friedrich, „kommt nicht wieder vor.“
Wir zerlegten das kleine Kabeljaustück mit den wilden Röstaromen und der feinblättrigen Suffisance langsam und voller Ehrfurcht. „So ein Menu ist schon ein Wahnsinn, allein schon wegen des unglaublich langsamen Tempos“, sagte Hugo, „ich wette, wir sitzen noch hier, wenn es dunkelt.“
Nach einer weiteren Pause wurde von einer dritten Bedienung der dritte Gang serviert: „Rinder-Short-Rib braisiert und auf Holzkohle gegrillt, touchiert von einer Mironton-Sauce und der Sensation des Tages: Popcorn!“ – „Haben Sie Popcorn gesagt?“ fragte Friedrich. – „Exakt!“ sagte die dritte Bedienung, „es handelt sich um eine sehr gewagte Textur!“ – „Das will ich meinen“, erwiderte Friedrich. – „Denken Sie bitte an den Wein!“ sagte Hugo. – „Der Wein kommt sofort!“ sagte die dritte Bedienung, „ein Glas Viré classé aus dem Burgund!“ – „Genau der richtige“, sagte Friedrich, „ich kenne ihn von meinen Burgund-Expeditionen!“ –
„Gib doch nicht so an“, sagte Hugo, als die dritte Bedienung verschwunden war, „wann warst Du denn im Burgund?“ – „Ich war noch nie im Burgund“, antwortete Friedrich, „aber der Wein ist Klasse, Du hast es ja gehört!“ – „Was habe ich gehört?“ fragte Hugo.
Wir kümmerten uns um das unglaublich zarte und touchierte Rindfleisch und ließen die minimalistische Andeutung von Popcorn auf der Zunge mit den Fleischessenzen turteln. „Sie trinken jetzt einen Coteaux Le Temps qui Reste von der Rhone“, sagte die vierte Bedienung.
„Ich find es nicht so geil“, meinte Friedrich, als sie sich zurückgezogen hatte. – „Deine Geschmacksnerven waren schon immer eher rustikal“, sagte Hugo. – „Gib nicht so an mit Deinen Edelneurosen“, antwortete Friedrich. – „Der Le Temps qui Reste ist ganz mein Fall!“ wagte ich zu sagen.
„Zum Abschluss ein bretonischer Butterkuchen in ausgeschwungenen Salzbutter-Karamell-Fäden!“ sagte die vierte Bedienung. – „Meine Mutter“, ließ ich mich, etwas mutiger geworden, verlauten, „war eine meisterliche Butterkuchenexpertin. Allerdings nicht bretonisch, nein, das nicht.“ – „Eben“, sagte Hugo, „nicht bretonisch, eher kölsch, oder? Hahaha!!“ – „Ruhe!“ sagte Friedrich, „wir arbeiten jetzt an unseren Expertisen! Frollein, noch zwei Blöcke und zwei gut gespitzte Bleistifte, zum Touchieren!“
Die kleinen Tellerchen wurden zur Seite geräumt, und wir beugten uns über das exzellente Papier, sorgfältig abgehangen und durchmarmoriert. „Bringen Sie doch zum Abschluss einfach mal ein Kölsch!“ sagte Friedrich zur fünften Bedienung. – „Das ist nicht Dein Ernst“, antwortete Hugo. – „Und ob“, sagte Friedrich. – „Wir führen leider kein Kölsch“, sagte die fünfte Bedienung, „ich empfehle eher einen Vin doux naturel cuvée aurélie.“ – „Perfekt“, antwortete Friedrich, „dreimal die Amélie! Oder nein, bringen Sie jetzt einfach mal eine Flasche!“ – „Wir schließen gleich“, sagte die fünfte Bedienung. – „Das habe ich überhört“, antwortete Friedrich, „eine Flasche, bitte! Und nun los, Jungs, ich warte auf Eure Expertisen!“
Langsam dunkelte es, das Restaurant hatte längst geschlossen. Draußen fuhren einige wunderbare Automodelle aus Frankreich vor, extrem cremieux und en vogue. „Gleich gibt es wieder etwas zu essen“, sagte Hugo. – „Frollein!“ rief Friedrich, „wir starten nun in die Nacht!“