Der englische Schriftsteller Julian Barnes (geboren 1946) hat sich sein erwachsenes Leben lang in Bilder vertieft. Mit präzisem Auge und der Freude an den Details hat er sie nicht nur mit dem Blick auf ihre starke Wirkung, sondern auch auf ihre „Geschichten“ hin studiert: Wie fanden die Maler zu einem bestimmten Sujet, wie legten sie es aus und welche private Verbindung gab es zwischen dem Bild und seinem Künstler?
So sind eher zufällig und nicht geplant im Laufe der letzten Jahre siebzehn Essays über vor allem französische Kunst der Jahre von 1850 bis 1920 (beginnend mit Géricault und Delacroix) entstanden (Julian Barnes: Kunst sehen. Aus dem Englischen von Gertraude Krueger und Thomas Bodmer. Kiepenheuer & Witsch). Man kann sie als wunderbar unkompliziert und brillant geschriebene Erzählungen über jene Probleme des Malens lesen, die den Weg von der romantischen Malerei bis zur Moderne provozierten.
Mein Vorschlag: Nicht mehrere Essays hintereinander lesen, sondern jeweils nur einen einzigen, nachdem man zuvor noch allein und für sich selbst das besprochene Bild länger betrachtet hat. Dann erst den dazu gehörenden Essay von Barnes vornehmen – und wieder zurück zur eigenen „Bildbetrachtung“ gehen: Um erstaunt zu sehen, wie sich das Bild „aufgetan“ und der Blick darauf sich erweitert hat.
Und um zu verstehen, welche Freude es machen kann, sich mit einem einzigen Bild so intensiv wie nur möglich (auch ohne akademisches Brimborium) zu beschäftigen.
(Anmerkung: „Bildbetrachtungen“ waren und sind seit der Kindheit eine meiner großen Leidenschaften. Hey – warum bin ich eigentlich kein Museumsführer geworden? Wäre ich heute noch gerne! Dann ginge es während einer Führung höchstens um drei einzelne Bilder! Und ich würde ein enthusiastisches Lied auf sie singen! Ach, wieder ein neues Buchprojekt: Museumsgänge.)