War das ein Festtag! Gestern hatten wir uns in Steins Traube, das wunderbare Restaurant in Mainz-Finthen, eingeladen, das seit vielen Generationen und über hundert Jahren von der Familie Stein geführt wird. Im vergangenen Sommer hatten Annette und Peter Stein das Restaurant an ihren Sohn Philipp und die Schwiegertochter Alina übergeben. Die Lokalität war komplett umgebaut und die Küche auf den neusten Stand gebracht worden, so dass Sohn Philipp Gas geben konnte – nachdem er zuvor an anderer Stelle bereits seinen ersten Michelin-Stern erkocht hatte.
Gestern nun feierten wir mit dem jüngsten Sternekoch Deutschlands seinen dreißigsten Geburtstag. Gut gelaunt zauberte er in der Küche, während Frau Alina uns zum Sieben-Gang-Menü Innovation die Weinbegleitung einschenkte und Glas für Glas so kommentierte, dass wir aus dem Schlürfen gar nicht mehr herausfanden.
Was für ein Festessen! Und wie so oft bei solchen Gelegenheiten folgten wir Gang für Gang den hochkreativen Pfaden und fragten uns (in Anlehnung an das Urbuch des kreativen Fragens – wir meinen das Langinterview, das François Truffaut mit Alfred Hitchcock geführt hat (Mister Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Heyne Verlag –)): Wie hat Philipp Stein das gemacht??
Wonach zum Beispiel sucht das Freilandei unter dem roh marinierten Rindfleisch – und worüber spricht der hinzu geduftete Saiblingskaviar mit dem Champagnerschaum? Unterhält sich das Ragout von der Perlhuhnbrustkeule mit dem Trüffelrahmjus etwa über Beethovens Appassionata – und macht uns das alles mitsamt seinen Emphasen von wildem Broccoli nicht derart rasend, dass uns nur noch ein Chilisorbet als Zieleinfahrt nach dem Sturzhang von weißer Schokolade, umwindet von einem Kokosjoghurt, in Euphorie enden lassen kann?
Als wir Steins Traube nach dem stundenlangen Menüfest verließen, wussten wir, wohin uns das Taxi bringen sollte: Zur Orgie des Vorfrühlings bei 16 Grad Wärme an das Ufer des Mainzer Rheins – und damit genau dorthin, wo Hanns-Josef Ortheils Erstlingswerk (der Roman Fermer) so unnachahmlich vorfrühlingshaft mit dem Gang seines Helden am Fluss beginnt.
Was sollen wir noch sagen? Wir waren außer uns! – und überschlugen uns mit Hölderlins Hyperion und sangen: So dacht ich. Nächstens mehr…