In meinem vierten Fragebogenspiel folge ich wieder Themenvorschlägen von Leserinnen und Lesern für diesen Blog. Diesmal geht es um das Thema Fotografie.
Machen Sie wirklich alle Fotos, die Sie Ihren Texten beifügen, selbst?
Ja, ich verwende keine Fotos aus dem Netz. Ich fotografiere fast täglich. Rasch, ohne Umwege, aus der Hand. Ich speichere die Fotos auf Festplatten, viele drucke ich aber auch aus.
Gibt es Motive, die Sie über längere Zeiträume verfolgt haben und weiter verfolgen?
Als Kind habe ich Hochsitze in freier Landschaft fotografiert. Ich war von ihnen fasziniert, von diesen meist an Waldrändern stehenden hohen Gestellen aus Holz. Von ihrer Staksigkeit, den Leitersprossen und besonders von den kleinen, geschlossenen Kabinen hoch oben, mit Ausblick auf die nahen Wiesen.
Was hat Sie daran so fasziniert?
Dass man unsichtbar war für die Welt außerhalb. Allein, geschützt und unsichtbar. Wie in einer Zelle. Oder in einer Schreibstube. Niemand konnte mich sehen oder mir zunahe kommen.
Welche Motive gab es sonst noch?
Herrentoiletten! Seit ewiger Zeit fotografiere ich sie. Das gelingt aber nur, wenn ich allein bin. Ich muss die Räume ganz für mich haben. Niemand darf mich beobachten – und auch ich beobachte natürlich niemanden. Mich beschäftigt nur der klinische Raum an sich. Das Schwarz-Weiß der Kacheln, die Flotte der Pissoirs, die künstliche Ästhetik dieser Zonen. Ich fühle mich in ihnen entrückt und befreit von Gesprächen. Abrupt getrennt von der Gesellschaft, mit der ich eben noch zusammen war. Jetzt aber allein mit mir, meinem Bild in den Spiegeln, meinen Händen, die ich unter den Wasserstrahl halte. Das sind starke Momente der Selbstbegegnung. Sie gehen „unter die Haut“.
Sie unterhalten sich dort mit niemandem?
Unterhaltungen unter Männern in Herrentoiletten sind eher selten. Die meisten Männer stürzen herein, urinieren und hasten wieder nach draußen. Früher sogar häufig, ohne sich die Hände zu waschen. In Coronazeiten hat sich das geändert. Jetzt drehen und wenden viele ihre Hände, als wären sie aus Nudelteig, und schauen dabei so angestrengt in den Spiegel, als wäre er eine bedrohliche Kontrollinstanz. Das ist oft sehr komisch.
Diese Szenen fotografieren Sie aber nicht?
Nein, niemals. Mich interessieren die Räume an sich. Die Begegnung des Körpers mit ihren Zeichen. Die Texte auf der Innenseite der Toilettentüren. Das meist diffuse Licht, das von oben einfällt. Die gewischten Böden. Und die Toilettenfrauen, draußen, vor den Türen.
Die haben Sie fotografiert?
Leider nicht. Menschen zu porträtieren, habe ich mich lange nicht getraut. Obwohl ich mich von vielen stark angezogen fühlte. Ich konnte aber die Kamera nicht auf sie richten. Es ging einfach nicht. Ich hätte mich vorher lange mit ihnen unterhalten müssen, um einen Kontakt herzustellen. Danach wäre es vielleicht gegangen. Aber einfach nur ein Foto machen und Menschen „knipsen“, die ich nicht weiter kenne – nein, das kann ich nicht.
Dann werden viele Knipser Sie stören, die einfach drauflos fotografieren, in Kirchen, Museen, wo auch immer.
Das tut mir oft richtiggehend weh. Wie kann man etwas fotografieren, das man gar nicht weiter kennenlernen will? Ein Altarbild, eine Skulptur? Zack, abfotografiert! Ohne dass man sich darum bemüht, das Gegenüber zu verstehen und genauer kennenzulernen! Ich empfinde das als barbarisch.
Haben Sie schon einmal daran gedacht, Motivserien Ihrer Fotografien im Rahmen einer Ausstellung zu zeigen?
Schon oft. Es hat sich bisher aber noch nicht ergeben. Vielleicht habe ich irgendwann mal das Glück, einer Kuratorin oder einem Kurator zu begegnen, die sich dafür einsetzen und eine solche Ausstellung zusammen mit mir konzipieren.
(Oben: Salzburg, Museum der Moderne 2020/
Unten: Markthalle Freiburg 2020)