In Zeiten des Coronavirus 5

Vor zwei Tagen habe ich in diesem Blog beim Nachdenken darüber, warum viele Passanten auf unseren Straßen in Zeiten des Coronavirus zu Psychogeografen werden, auf das sehr lesenswerte Buch des italienischen Stadttheoretikers Vittorio Magnano Lampugnani hingewiesen. Darin stellt er die „kleinen Dinge im Stadtraum“ vor (Bedeutsame Belanglosigkeiten. Kleine Dinge im Stadtraum. Verlag Klaus Wagenbach Berlin 2019).

Gemeint sind jene Mikroarchitekturen (wie etwa der Kiosk, die Trinkhalle, die öffentliche Toilette oder die Haltestelle), die wir meist übersehen. Ihre Erscheinung bestimmt aber unsere Wahrnehmung städtischer Räume stark mit, indem sie eigene Inseln oder Zonen bilden, in denen wir ganz besondere Formen des Innehaltens oder Beobachtens entwickeln.

Hinzu kommen die in den Stadträumen verstreut auftretenden kleineren Objekte (wie das Denkmal, der Brunnen, die Bank oder das Straßenschild), die wie kaum sichtbare Ausrufezeichen unsere Wege verlangsamen, stoppen oder lenken wollen.

Schließlich gibt es noch die sogenannten Elemente (wie das Schaufenster, den Bodenbelag, den Bürgersteig oder den Schachtdeckel), die den städtischen Raum häufig auf dominante Weise rahmen oder grundieren, ohne dass wir uns länger in ihre Auftritte vertiefen.

Lampugnani erzählt die Geschichte all dieser „Belanglosigkeiten“ von ihrem ersten Auftreten im neunzehnten Jahrhundert an bis in die Gegenwart. Sein Buch macht die Umgebungen, die wir täglich durchlaufen, sichtbarer und lässt uns ganz unerwartete Fragen stellen: Wer oder was bewegt mich gerade? Was lässt mich stehenbleiben? Was den Schritt beschleunigen? etc.

Frage: Wäre es nicht eine schöne Idee, die von uns durchlaufenen Straßen (die jetzt so einladend menschenleer sind) in kleinen Segmenten zu fotografieren, um uns (Lampugnanis Erzählungen folgend und seinen Faden aufnehmend) auf all das aufmerksam zu machen, was uns sonst entgeht? Und ließen sich diese Fotografien mit kurzen Texten begleiten?

(Stuttgart – Schillerplatz mit Marktständen)