Rapunzel
Die mit mir befreundete Buchhändlerin, die ihre Buchhandlung geschlossen halten muss, aber nicht daran denkt, den direkten Kontakt mit ihren Kunden ganz einzustellen…
Sie steckt die neuen Titel in einen Korb und lässt ihn aus einem der oberen Fenster ihres Ladens herab.
Unten nehmen die Kunden den Korb in Empfang, ein Gespräch entsteht, die gute, trotzige Laune wächst und schwillt an – und schließlich singen Buchhändlerin und Kunden (nach italienischem Vorbild) zusammen: Es tönen die Lieder, der Frühling kehrt wieder…
Epiphanie in Rom
Mein alter Freund Enrico, der mit seiner Vespa in Rom unterwegs ist, um Medikamente für eine Apotheke auszuliefern…
In sich gekehrt fährt er die leere Via del Corso entlang und verlangsamt plötzlich die Fahrt. Auf dem linken Bürgersteig kommt ihm eine weiß gekleidete, ältere Männergestalt entgegen. Sie geht allein und für sich, in einigem Abstand folgen drei schwarz gekleidete, jüngere Männer, schweigsam und ruhigen Schritts.
Enrico bleibt stehen und erkennt Papst Franziskus. Er ist es wahrhaftig! Enrico weiß nicht, was er tun soll. Grüßen? Sich Wegducken?
Da winkt der Papst (wie ein friedlicher Spaziergänger) von der anderen Seite. Enrico lacht und hebt den Daumen: Toll, dass sie mitten unter uns sind, Papa Francesco!
Und Papa Francesco sendet ihm ein Kreuzzeichen über die Via del Corso, bevor er in der Kirche San Marcello zu einem Gebet gegen das allgegenwärtige Coronaleiden verschwindet.
Was die Natur nicht weiß
Meine venezianische Freundin Sophia, die in der jetzt menschenleeren Stadt einen Garten besitzt….
Und, um auch andere an seiner Schönheit teilhaben zu lassen, kleine Säckchen näht und mit mit Duftstoffen ihrer Pflanzen (Lavendel, Rosmarin etc.) füllt.
Ein winziger Zettel liegt den Briefsendungen bei: La natura non conosce il coronavirus (Die Natur kennt keinen Coronavirus.).
Home-Office
Mein Freund Peter, der seit einigen Tagen zum ersten Mal in seinem Leben ein Home-Office betreibt…
Er schreibt, dass er damit nicht zurecht kommt: Was soll ich tun? Die Kinder sitzen mit mir am Tisch – ich kann aber nicht arbeiten, wenn die Kinder am Tisch sitzen. Außerdem lese ich alle paar Minuten die neusten Coronavirus-Meldungen in diversen Livetickern, ich bin regelrecht süchtig. Im Grunde bin ich völlig durcheinander, denn ich vermisse meine jahrzehntealten Arbeitsrhythmen. Kannst Du mir helfen?
Ja, mein Lieber, ich kann. Als Schriftsteller habe ich seit ewigen Zeiten ein Home-Office organisiert. Das Zentrum all dieser Arbeiten ist der Schreibtisch, den sämtliche Rituale der „Hausarbeit“ umkreisen.
Am kommenden Montag (23.03.) erscheint im Kampa-Verlag dazu ein Buch, in dem zehn Autorinnen und Autoren (und darunter auch ich) minuziös Auskunft über ihr „Home Office“ geben (Es kann nicht still genug sein. Schriftsteller sprechen über ihre Schreibtische. Hrsg. von Klaus Siblewski. Kampa Verlag)
(Am Montag werde ich in diesem Blog daraus lesen…, versprochen!)
Die Zugabe
Die große Pianistin Martha Argerich, die seit vielen Jahren keine Solo-Konzerte mehr gibt, sondern nur noch zusammen mit einem Orchester oder anderen Musikern auftritt…
Und die wunderbare Ausnahme: als sie sich nach einem Konzert mit Orchester für eine kurze Zugabe noch einmal an den Flügel setzt, um eine Sonate von Domenico Scarlatti zu spielen: