Vier Waldszenen (in Zeiten des Coronavirus 15)

1

In Zeiten der Kontaktsperre im Wald. Wahrhaftig sind vor allem Einzelgänger oder höchstens Paare unterwegs (trotzig Hand in Hand oder auch demonstrativ untergehakt).

Geht man in herber Melancholie als Einzelgänger auf eine ebenfalls allein spazierengehende Frau mit dem Vorschlag zu, die weiteren Wege zu zweit fortzusetzen, kommt es zu folgenden Rückfragen: 1) „Sind Sie ein Risikopatient?“, 2) „Sind Sie oft so dreist?“, 3) „Stören Sie mich bitte nicht, ich kommuniziere gerade“ (sie flüstert in ihre Freisprechanlage…).

Derart vernichtet, will man schon aufgeben und versucht es ein letztes Mal. Und siehe da. Die Antwort ist diesmal: „Auf so ein freundliches Angebot habe ich wer weiß wie lange gewartet! Ja, lassen Sie uns zusammen gehen, ich freue mich!“

2

Seltsame Verwandlungen. Manche Spaziergänger schreiten ein deutlich abgemessenes, kleines Stück Wegs auf und ab, auf und ab, hin und her, hin und her – als befänden sie sich noch immer in ihren vier Wänden.

Einige benutzen dazu auch Walking-Stöcke, als müssten sie die Schritte durch lautes Taktieren begleiten.

Ganz eifrige schließlich zählen ihre Streckenleistungen laut und rufen: „Sieben/Acht…“ – und wenn ihnen einer den Vogel zeigt, bleiben sie wie erstarrt stehen und denken betroffen und still darüber nach, warum andere Menschen so unfreundlich sind.

3

Der bereits etwas ältere Vater müht sich auf einem Fahrrad ab, während muntere, kleine Zwillinge hinter ihm im Anhänger sitzen und strahlen.

Wenn die Spaziergänger ihn wahrnehmen, kommentieren sie häufig das Bild. Einer ruft: „Schon mal bequemere Tage gesehen, was?!“ – Ein  anderer: „Die Knirpse würde ich mal auf die Beine stellen!“ – Und ein dritter: „Messen Sie mal rasch Ihren Blutdruck, Sie sehen ja schlimm aus!“

Worauf der bereits etwas ältere Vater innehält und in den Wald schreit: „Neidisch in diesen Zeiten?! Pfui deibel!“

4

Ein Freundinnenpaar in mittlerem Alter kreuzt meinen Weg, und ich höre eine der beiden sagen: „Ich stehe ja sowas auf Ingo Zamperoni…“

Ingo Zamperoni? Verdammt, wer ist das noch einmal? Ein Formel 1-Fahrer? Der neue Chef von Prada? Ein Mittelfeldspieler von Atalanta Bergamo?

Ich komme nicht drauf, obwohl mir der Name bekannt vorkommt. Noch immer ist mein Hirn leicht durcheinander und blendet früher durchaus Gekanntes aus, um Motive und Themen zu konservieren, die mich eher beschäftigen.

Erst als ich wieder zu Hause bin und im Netz recherchieren kann, wird mir klar, dass der sympathische Ingo Zamperoni die Tagesthemen moderiert. Aha, nasowas!

Und als löste diese Erinnerung gleich eine weitere Reaktion aus, flüstere ich: „Ich stehe ja sowas auf Rosa Lyon…“