(Am 21. April auch als Kolumne im „Kölner Stadt-Anzeiger“, S. 4)
Die erste, über einen Monat dauernde Phase der Corona-Zeiten glich einer Hypnose. Die große Mehrheit redete im Takt der Medien ununterbrochen dasselbe, hielt gehorsam Abstand, zog sich in Häuser, Wohnungen und Heimgärten zurück, porträtierte sich in einer Sintflut von Heimvideos – und horchte geduldig auf die hypnotisch wirkenden Gebote der Regierenden.
Nun ist die zweite Phase eröffnet. Die meisten erwachen aus der Hypnose und sprechen von den sogenannten „Lockerungen“. Warum darf ich in meiner Lieblingsbuchhandlung umherwandern, keineswegs aber in meinem kleinen schnuckeligen Lieblingsrestaurant zu Abend essen? Und warum darf ich im Baumarkt das Angebot neuer Häcksler und Rasenmäher studieren, auf keinen Fall aber im Kölner Dom einen Gottesdienst besuchen?
Die zweite Phase provoziert den Unmut angesichts der so selbstverständlich daherkommenden Weisheiten der Herrschenden. Wann, wird jetzt lauter gefragt, haben wir auch mal wieder etwas zu sagen? Warum dürfen wir nicht mitreden? Und wieso befragt man nicht unsere Landräte, Bürgermeister, Stadtverordneten und Schulleiter, um genauere Meinungen darüber einzuholen, was wir an den jeweiligen Orten zukünftig tun und dürfen?
Angesichts des neuen Diskurs-Themas Sommerurlaub spitzen sich die Fragen und Kommentare zu. Markus Söder empfiehlt Ferien in Bayern, Politiker im Norden empfehlen Strandkorbferien am Meer (ohne Baden, Schwimmen und Surfen, rein meditativ), und Tourismusfachleute der deutschen Mittelgebirge wollen das Zuhause ferienlike garnieren: Warum, statt ans Meer zu fahren, den Strandkorb nicht gleich in den eigenen Garten stellen und ihn mit Claude Debussys „La Mer“ beschallen?
Wolfgang Schäuble hat seit Jahrzehnten keine richtigen Ferien gemacht und findet sie daher sowieso überflüssig. Sechs Wochen Sommerferien für alle Schülerinnen und Schüler?! Auch hier sollen die Lockerungsübungen greifen und neue Ferienmaßeinheiten, abgestuft und gezielt nach Alter und Geschlecht, mit deutscher Gründlichkeit festgelegt werden.
Derart läuft in Phase Zwei gegenwärtig alles auseinander, und die neuen Diskurse überschlagen sich. Hauptsache, jeder Infizierte hält sich an die Reproduktionsrate und steckt möglichst nur noch einen halben Nichtinfizierten an. Bald werden auch die Virologen in den Talkshows seltener werden, und die ersten Themen von früher werden sich zaghaft melden.
Aber bitte: Keine Neuigkeiten über das Liebesleben von Heidi Klum! Und keine Recherchen ausgerechnet darüber, wie Harry & Meghan gerade in den USA ihren Luxus neu definieren! Ganz zu schweigen von Jogi Löw, von dem wir erwarten, dass er angesichts fehlender Pflichten sein stattliches DFB-Stillhaltegehalt Vereinen des Amateurfussballs spendet!