Nur noch zwei Tage – dann erscheint im Buchhandel mein neues Buch Italienische Momente (btb). Ein Schwerpunkt der Texte ist Venedig, das ich seit 1971 bereist habe.
Seit diesen ersten Tagen habe ich die Stadt, die Lagune und ihre Bewohner immer in derselben Weise kartographiert: Den ganzen Tag zu Fuß unterwegs, unterbrochen von vielen Stationen, an denen ich mit der Hand in einem schlichten Notizbuch festhalte, was ich eben noch gesehen und erlebt habe und was ich genau in diesem Augenblick des Notierens erkenne.
Ich bleibe streng bei dem, was mir auffällt: Den Bewegungen und Ritualen der Bewohner, ihrer Kleidung, ihrer Gestik und Mimik, dem, was sie mit sich herumtragen. Mit all diesen Beobachtungen verbinde ich vorerst nichts weiter als das dokumentarische Erfassen meiner Umgebung. Ob und wann ich sie später einmal in einem anderen Zusammenhang verwenden werde, weiß ich nicht. Ich denke keine Sekunde daran, sondern überlasse mich dem Fluss der Zeit, indem ich in ihm mit jeder Aufzeichnung einen Halt (und damit ein Konzentrat des Zur-Ruhe-Kommens) fixiere.
Auf dieser Fotografie sitze ich in einer venezianischen Enoteca (Osteria al Ponte), ich schaue über einen schmalen Kanal auf den Campo Santi Giovanni e Paolo und ich nippe ab und zu an einem Glas Merlot aus dem Veneto. Etwas Wein beflügelt das Notieren und nimmt ihm die Steifheit. Ausschließlich Wein erreicht in meinem Fall diese Wirkung. Sehr in Maßen, aber in regelmäßigen Schlucken, während der Stift Seite für Seite füllt.
Foto: © Lotta Ortheil